Die Macht der Macht

im Handeln koordinierten Gruppe bleibt dabei unbestritten.
    Vielleicht hätte die sorgfältigere Beachtung der Möglichkeiten eines intelligent handelnden Systems und der sich daraus ergebenden möglichen Folgen von Beginn an zu einem anderen Verhalten der Politik in den von Vroniplag entdeckten Promotionsaffären geführt. Auch hier erkennen wir wieder die Wucht und die Leistungsfähigkeit der Menge. Was einzelne, sehr erfahrene und in der Fachwelt äußerst renommierte Gutachter im Fall der mehr als zweifelhaften Dissertation der Margarita Mathiopoulos nicht vermochten – nämlich die Verhinderung der Ernennung zur Honorarprofessorin in Braunschweig (man munkelte von nützlichen Spenden der NORD/LB anlässlich des anstehenden Hochschuljubiläums, die frischgebackene Professorin war zu der Zeit Sprecherin des Instituts), das vermochte die hinter Vroniplag versammelte Menge und die dann schnell eintretende Öffentlichkeit. Sogar so systemrelevante Menschen wie den früheren Verteidigungsminister konnten auch die Interventionen der Kanzlerin und der BILD-Zeitung nicht vor dem mehr als überfälligen Rücktritt aufgrund seiner abgekupferten Promotionsarbeit retten. Der kombinierte Einsatz der seriösen Presse, die Proteste vieler Doktoranden und Doktoren und die Empörung der ehrlichen Mehrheit machten diesem Possenspiel ein Ende.
    Der Guardian ist eine der wenigen wirklich unabhängigen Zeitungen Großbritanniens, die man zu den seriösen und angesehenen Blättern zählt, zu den »Quality Papers«. 2009 forderte er seine Leser zu einem Kraftakt auf. Die Spesenabrechnungen der britischen Parlamentarier waren komplett ins Netz gestellt worden, die schiere Menge der Dokumente war jedoch überwältigend. Nun wirkte der Schwarm im Netz. Nach 80 Stunden waren etwa 170000 Dokumente von mehr als 20000 Helfern gesichtet worden, die Erstaunliches zu Tage förderten: Politiker hatten Traktorreparaturen, Teppichreinigungen in Privathäusern und den Erwerb von Kunstdrucken zu Lasten des Steuerzahlers abgerechnet. Premier Gordon Brown ließ 6500 Pfund für die Begrünung seines Zweitwohnsitzes in Schottland abrechnen, sein Vorgänger Tony Blair zwei Tage vor seinem Ausscheiden noch 7000 Pfund für Reparaturen am Dach, der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Quentin Davies, machte Ausgaben in Höhe von 10000 Pfund für Reparaturen an Fensterrahmen in seiner Zweitwohnung, einem Anwesen aus dem 18. Jahrhundert, geltend. 2008 hatte er bereits versucht, in seinen Spesenaufstellungen 20700 Pfund als Reparaturkosten für den Glockenturm seines auf einen Wert von 5 Millionen Pfund geschätzten Hauses Frampton Hall als zusätzliche Kostenerstattung geltend zu machen. Auf Druck seiner Fraktion änderte er später die Summe auf 5376 Pfund. Die Aufklärungsarbeit der Menge machte eine Auswertung der Unterlagen überhaupt erst möglich.
Die Dynamik der Gruppe
    Solche Gruppen, ob im Netz oder im wirklichen Leben, haben eine eigene Dynamik, die sich zum Guten und zum Schlechten wenden lässt. Wenn es Ihnen gelingt, Gruppen zu mobilisieren, können Sie eine Macht ausüben, über die Sie als Einzelner niemals verfügen würden.
    Auf den ersten Blick sind Gruppen allerdings etwas Banales: Formal definiert als drei oder mehr Personen, die miteinander interagieren. Diese Interaktion braucht Dauer und Kontinuität, bevor man von einer Gruppe sprechen kann. Gruppen weisen eine innere Struktur auf und grenzen sich nach außen ab. Macht, Statusunterschiede, Normen – kurz Gruppenstrukturen – spielen eine gewichtige Rolle. Und das macht das Thema Gruppen spannend. Die Möglichkeit, die Kraft einer Gruppe zu nutzen, hängt wesentlich davon ab, wie gut Sie sich als Mitglied des Teams oder als dessen Leiter mit den Erfolgsfaktoren eines funktionierenden Teams zurechtfinden.
    Menschen, die zusammenkommen, um gemeinsam eine Aufgabe zu erledigen, werden nicht automatisch zu einem produktiven Team. Jeder ist ein anderer Mensch – mit eigenen Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen. Bevor alle als Team gut zusammenarbeiten können, ist ein Prozess der Harmonisierung abzuarbeiten. Wenn Gruppenmitglieder neu hinzukommen, ausscheiden oder ausgetauscht werden, beginnt dieser Prozess in wesentlichen Phasen neu. In diesem Prozess werden vier typische Phasen durchlaufen: Orientierung (»forming«), Entwicklung (»storming«), Stabilisierung (»norming«) und Leistung (»performing«).
    Die Orientierungsphase
    Zu Beginn der Arbeit als Gruppe lernt man