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Die Macht der Macht

Die Macht der Macht

Titel: Die Macht der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reiner Neumann
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solche Idee ist das »Crowdfunding«. Ziel ist die Finanzierung eines Vorhabens, sei es einen Brunnen in Afrika zu bauen oder ein Buch zu schreiben. Das Internet bietet alle Hilfsmittel. Auf den ersten Blick ist Crowdfunding nur die Möglichkeit, eine Idee zu finanzieren. Interessanterweise entstand dabei auch ein Nebenprodukt: ein demokratischer Prozess rund um die Verteilung von finanziellen Mitteln wurde in Gang gesetzt. War es bisher immer einigen wenigen Individuen vorbehalten, Projekte zu finanzieren (private Mäzene oder Entscheider in Unternehmen und Organisationen), so ist es nun die breite Masse, die entscheidet, ob ein Projekt finanziert wird oder nicht. Und damit auch, ob es umgesetzt wird oder nicht. Der Grundgedanke ist, dass viele kleine Beträge von zahlreichen Unterstützern zusammengenommen eine große Summe ergeben. Sieht man sich erfolgreich finanzierte Projekte auf den Crowdfunding-Plattformen näher an, so wird deutlich, dass ein Einzelner als ein Teil der vielen kleinen Beiträge durchaus zum Erfolg eines Projekts beisteuern kann.
    Wirklich neu ist das andererseits nicht – in der Finanzierung von Unternehmen nennt man das Ganze seit vielen Jahrhunderten »Aktien« und natürlich gibt es auch hier demokratische Prozesse wie die Hauptversammlung. Die Idee dahinter ist und bleibt gut. Mehrere Menschen können in der Regel mehr Kapital aufbringen als ein Einzelner. Diese Tatsache machten sich bereits im antiken Rom die ›societates publicanorum‹ zunutze. Sie waren mit allerlei öffentlichen Aufträgen betraut, zum Beispiel mit der Belieferung des Militärs. Jeder Bürger konnte sich mit einem Beitrag einkaufen und damit Geld verdienen. Und auch die Amsterdamer Börse im 17. Jahrhundert erlaubte es den Investoren, die Risiken ihrer Investitionen zu verteilen. Erst durch diese Verteilung auf mehrere wurden etliche Vorhaben überhaupt erst möglich. Die Niederländer beispielsweise waren die ersten, die ihren Seehandel durch Aktien der Ostindischen Kompanie finanzierten.
    Eine schlimme Facette in der Macht der Vielen hat der Sommer 2011 offenbart: Die Bilder brutaler Ausschreitungen in London und anderen Städten zeigen Jugendliche in Jogginganzügen, die neben brennenden Autos posieren, Menschen, die durch eingeschlagene Fensterscheiben in Supermärkte und Elektroläden einsteigen. Es waren keineswegs nur die Opfer von Margaret Thatcher und New Labour, Arme oder anders Zu-kurz-Gekommene der britischen Gesellschaft. Nach den Berichten der britischen Presse gehörten dazu ebenso Millionärstöchter, Elfjährige, Sozialarbeiter, Jurastudenten, Immobilienmakler, Opernintendanten und – besonders schockierend – sogar ein Postbeamter. Ob wir uns der Beurteilung von Premier David Cameron anschließen, der die Vorkommnisse als Auswüchse einer »kranken Gesellschaft« brandmarkte, oder ob wir wie Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer, Professor für Pädagogik und Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, vom berechtigten Aufstand der »Opfer einer knallharten Klassengesellschaft« sprechen, dem sich einige wenige Trittbrettfahrer angeschlossen hätten, die Macht der Menge, die Wucht der Vielen wird bei solchen Ereignissen besonders deutlich.
    Viele Briten solidarisierten sich im Gefolge der öffentlichen Zerstörung mit den Opfern oder trafen sich zu Putzaktionen. Ein in der Presse vielzitiertes Beispiel ist der Fall von Aaron Biber, einem 89-jährigen Friseur in Tottenham, der bereits nach der ersten Nacht der Krawalle seinen Laden vollständig verwüstet vorfand. Ihm fehlte das Geld, um sein Geschäft wiederherzurichten. Auf dem Blog »Keep Aaron Cutting« wurde um Spenden gebeten – bereits am ersten Wochenende gelang es, dadurch 35000 Britische Pfund zusammenzutragen.
    Nun funktioniert nicht jeder Aufruf derart gut, nicht einmal jeder Aufruf auf Twitter oder Facebook. In seinem Buch »The Tipping Point: How Little Things Can Make a Big Difference« beschreibt Malcolm Gladwell die Erfolgsfaktoren solcher Veränderungen und speziell der Gruppeneffekte. Er stützt sich analog dem Pareto-Prinzip auf die Tatsache, dass in den meisten Kontexten 80 Prozent der Leistung von 20 Prozent der Beteiligten erbracht wird. Auf diesem Prinzip baut er sein Gesetz der wenigen entscheidenden Mitglieder einer Gruppe auf (»Law of the Few«). Er unterscheidet drei Typen von Menschen: Die Verbinder (»Connectors«), die geschickt im Knüpfen von

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