Die Macht der Macht
Verbindung gebracht werden kann. Und Sie als Zuschauer, Zuhörer und Leser haben einen ganz klaren Nachteil – Sie können kaum überprüfen, ob der Experte wirklich ein Experte ist und ob sein Wissen tatsächlich dem besten Wissen des Fachs entspricht. Kompetenz ist gut, doch vielen Medien ist wichtiger, dass der befragte Experte knackig formulieren kann und dass er bekannt ist. Experten werden so zu einer Marke, auf die viele Journalisten gerne zurückgreifen.
Der Informationsdienst Wissenschaft e.V. ist eine gemeinnützige Organisation, die auf einer Internetplattform Informationen aus mehr als 800 wissenschaftlichen Einrichtungen bereitstellt. Eine spezielle Einrichtung ist der Experten-Makler, der Journalisten Informationen von und den Kontakt zu Fachleuten aus den angeschlossenen Einrichtungen anbietet: »In fast allen Fällen kommen Sie binnen Tagen oder sogar Stunden in Kontakt mit den gesuchten Wissenschaftlern. Oft sind gleich mehrere Fachleute bereit, Rede und Antwort zu stehen, einen Gastbeitrag zu schreiben oder ins Studio zu kommen.« An diesem Angebot und seiner Popularität erkennen Sie die Bedeutung, die solche Experten heutzutage für die Medien haben. Wissen ist Macht!
Manchen Experten wird auch vorgehalten, dass sie sich zu allen denkbaren Themen äußern, egal welchen, Hauptsache, sie sind in den Medien vertreten. Solche Meister der öffentlichen Präsenz sind beispielsweise Peter Sloterdijk, Bert Rürup oder Jürgen W. Falter. Auch stellt sich dabei manchmal die Frage, ob sie bei so starker Medienpräsenz, öffentlichen Vorträgen und Beraterjobs tatsächlich die nötige Zeit finden, noch selber zu forschen oder wenigstens die aktuelle Forschung wahrzunehmen und kritisch zu würdigen. Den Göttinger Politologen Franz Walter und Bassam Tibi wurde sogar vom Präsidenten ihrer Hochschule vorgeworfen, durch ihr umfangreiches Engagement als »Feuilletonprofessoren« zu wenig Zeit für ernsthafte Wissenschaft aufzuwenden.
Auch sind nicht alle Experten so neutral, wie man es theoretisch ja von Wissenschaftlern erwartet. Der Arbeitsmarktexperte aus der SPD-nahen Stiftung wird andere Meinungen zum Mindestlohn vertreten als sein gleichermaßen mit akademischen Weihen versehener Kollege aus einem konservativen, der Wirtschaft nahestehenden Think Tank. Auch Analysten von Banken oder den in den Medien notorisch vertretenen Chefvolkswirten können wir nicht unbedingt Unabhängigkeit von den Interessen der sie beschäftigenden Institute unterstellen.
Wenn Sie berühmt sind, reicht es oft schon aus, wenn Sie sich ein wenig mit einem Thema befassen. Die kolumbianische Popsängerin Shakira hat die Stiftung »Pies Descalzos« (»Nackte Füße«) gegründet, die sich für benachteiligte Kinder einsetzt. Ohne jeden Zweifel sehr lobenswert. Ob das die Sängerin allerdings für ein anderes Amt ausreichend qualifiziert, bleibt bei aller Bewunderung doch fraglich: Präsident Barack Obama hat sie zu einer seiner Bildungsberaterinnen ernannt. Shakira wird einer Kommission angehören, die sich mit der Frage der Bildung der hispanischstämmigen Minderheit in den USA befasst, ließ das Weiße Haus wissen.
Die von den Medien zu wahren Könnern ihres Fachs stilisierten Experten sind nicht immer wirkliche Meister. Professor Dr. Dr. med. habil. Werner Mang ist nach eigenem Bekunden der beste Schönheitschirurg Europas. Das sehen auch BILD (»Schönheitspapst«), Brigitte und andere bunte Blätter so. Zu Themen der ästhetischen Chirurgie fragen sie gerne ihn. Werner Mang ist einer, der sich häufig und geschickt mit Prominenten umgibt und diese anscheinend auch operiert. Auf seiner Internetseite lobt er sich als Autor von Standardwerken auf dem Gebiet der plastisch-ästhetischen Chirurgie und zählt sich zu den Top Ten der ästhetischen Chirurgen der Welt. Peter Vogt, auch promoviert und habilitiert, Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover und zudem Präsident der chirurgischen Fachgesellschaft (DGPRÄC – Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen), sieht das etwas anders. Er kennt keine Top-Ten-Liste, und bei seiner Kenntnis der Standardwerke der Plastischen Chirurgie stellt er kategorisch fest: »Ein Buch von Mang würde ich da aber nicht hinzuzählen«.
Unser Thema hat eine weitere Dimension: Experten sind sich keineswegs immer einig: Im März 2009 wurden Interviews mit Hans Joachim Schellnhuber veröffentlicht. Herr Schellnhuber ist der Chef des Potsdam-Instituts
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