Die Macht der Macht
schnell gegengesteuert werden.
Eine besondere Autorität wird gerne einer sehr speziellen und für das Alltagsleben weitgehend sinnfreien Expertise zugebilligt. Kaum ein Schulfach erlebt zur Zeit einen solchen Aufschwung wie Latein. Auch Personalverantwortliche großer Unternehmen äußern sich gerne zu den ihrer Meinung nach geringfügigen, aber gleichwohl erkennbaren Vorteilen des Latinums bei einer Bewerbung. Ralf Memmel von Infineon lässt sich von der FAZ mit den Worten zitieren: »Wenn ich persönlich mir eine Bewerbung anschaue, dann springt mir das schon ins Auge.« Und Frank Schmitt von der Lufthansa legt nach: »Sich heutedem Studium und Erlernen des Lateins zu widmen, sagt auch etwas über einen Kandidaten, etwa seine Lerndisziplin, aus.« Herbert Dühr von RWE Power sieht das ähnlich: »Bei Akademikern kann ich … nicht ausschließen, dass ein Latinum im Abiturzeugnis den Ausschlag für einen Bewerber geben kann.« Warum eigentlich Latein? Altgriechisch ist noch schwieriger zu lernen und die Beherrschung des Hebräischen setzt ebenfalls ein langjähriges Studium voraus. Diese Meinungen verwundern doppelt vor dem Hintergrund einer wissenschaftlich eindeutigen Befundlage. Elsbeth Stern ist Inhaberin des Lehrstuhls für Lehr- und Lernforschung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Sie kann sich über die anscheinend immer noch vorhandenen Vorurteile in dieser Sache nur wundern. Die FAZ zitiert Elsbeth Stern mit dem Ergebnis ihrer Studien: »Ob jemand Latein gelernt hat oder nicht, sagt über einen Bewerber ungefähr so viel aus wie die Haarfarbe.« Sie hat nachgewiesen, dass Latein weder Vorteile für das logische Denken noch für das Erlernen von Fremdsprachen bringt. Zum Leidwesen aller Lateiner ließ sich sogar das Gegenteil belegen: »Latein ist ganz offensichtlich keine Grundlage für das Erlernen moderner Sprachen«.
Solche irrigen Glaubenssätze gibt es viele – ob es sich um Graphologie oder um Astrologie handelt. Es soll immer noch auch renommierte Unternehmen geben, in denen die Personalleiter die Handschrift von Kandidaten graphologisch beurteilen lassen oder die Sterndeuter mit dem Erstellen von Horoskopen beauftragen.
WENN SIE MIT EXPERTEN ODER EXPERTENWISSEN KONFRONTIERT WERDEN
Hinterfragen Sie den Hintergrund.
Überprüfen Sie die qualitativen Voraussetzungen.
Überprüfen Sie, ob die Schlussfolgerungen berechtigt sind.
Fragen Sie: »Warum ist das so?« und: »Worauf stützen Sie Ihre Behauptungen?« Geben Sie sich mit der Aussage »Das ist gesichertes Fachwissen!« nicht zufrieden. Lassen Sie sich den Gedankengang und die zugrunde liegenden Annahmen erläutern.
Prüfen Sie die ›Expertise‹ des Experten und stellen Sie auch diese gegebenenfalls zur Debatte.
Fragen Sie nach, wer den Experten honoriert, bzw. wer die angeführte Untersuchung bezahlt hat.
Bewegt sich der Experte auf dem Feld seiner Kompetenz?
Wenn Sie selber Experten oder Expertenwissen einsetzen wollen, prüfen Sie die Kompetenz oder Stichhaltigkeit kritisch anhand der oben genannten Fragen.
Wie Sie Ihre eigene Expertise ausbauen
Wenn Sie Ihrerseits Ihre Macht als Experte auf- und ausbauen wollen, ist Kompetenz auf einem relevanten Themenfeld ganz sicher von Vorteil. Die Bedeutung des Themenfelds wird von dem Umfeld Ihres beruflichen Handelns abhängen. Ihre Expertise sollte sich entweder auf ein seltenes, aber gesuchtes Feld konzentrieren oder Sie müssen schon ganz besondere Kompetenz nachweisen können, die Ihnen Vorrang vor anderen Experten sichert, zumindest in Ihrem Unternehmen. Dazu sind einschlägige Publikationen, Mitgliedschaften in Gremien und Ausschüssen und stützende externe Stimmen ein absolutes Muss. Wenn Sie es in die Medien schaffen, wird kaum jemand noch Ihr fachliches Können anzweifeln. Expertentum ist ganz sicher von Vorteil. Anerkannte Expertise bedeutet, dass Sie gerufen und gehört werden – und bietet Ihnen damit die Möglichkeit, auch in Handlungsfeldern außerhalb Ihres eigentlichen Machtbereichs Ihre Stimme zu erheben.
Erwerben Sie echtes Wissen – kein Jodeldiplom. Achten Sie auf die Grenzen Ihres Wissens – sichern Sie Ihrer eigentlichen Expertise dann aber auch entsprechendes Gehör.
WENN SIE MACHT DURCH EXPERTISE ERWERBEN ODER AUSÜBEN WOLLEN
Erwerben Sie fundiertes Wissen.
Halten Sie Ihr Wissen auf dem neuesten Stand.
Suchen Sie nach einem relevanten Kompetenzfeld.
Suchen Sie sich einen geeigneten Sponsor oder Unterstützer.
Zeigen Sie Nutzen für Ihr Unternehmen
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