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Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Titel: Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Ricardo wird sich um dich kümmern!«
    Ich wusste, dass er es tatsächlich so meinte.
    »Marina«, fuhr er fort. »Marina wie die Königin der Meere. Wusstest du, was dein Name bedeutet?«
    Nein, das hatte ich nicht gewusst. Ich fragte mich, was Birgitta bedeutete. Und Lene. Welche Wurzeln Emmalina hatte.
    »Es bedeutet, dass du Santa Teresas Königin der Meere bist«, verkündete er mit einem schiefen Grinsen.
    Ich lachte ihn aus. »Ich glaube, du hast zu viel getrunken, Héctor Ricardo.«
    »Ja«, erwiderte er. »Ich bin nun mal der Dorftrunkenbold. Aber lass dich dadurch nicht täuschen. Héctor Ricardo ist auch ein Kämpfer. Außerdem: Zeig mir einen Mann ohne Fehler und ich zeige dir einen Mann ohne Tugend!«
    Nach vielen Jahren ist er einer der wenigen Menschen, die ich Freunde nenne.
    Es dauert fünfundzwanzig Minuten, bis alle Besucher ihre Ration bekommen haben. Nachdem der Letzte gegangen ist, setzen wir uns abseits von den anderen zum Essen hin. Unsere Gruppe isst so schnell wie möglich, denn je schneller wir sauber machen und alles aufräumen, desto mehr Zeit haben wir für uns selbst.
    Fünfzehn Minuten später sind wir fünf von der Essensausgabe damit beschäftigt, Töpfe und Pfannen zu schrubben unddie Tische abzuwischen. Im besten Fall dauert das Aufräumen eine Stunde – allerdings nur, wenn alle die Cafeteria verlassen, sobald sie aufgegessen haben, was selten passiert.
    Als niemand zu mir hinsieht, werfe ich ein paar unverderbliche Lebensmittel in meinen Rucksack, um sie mit in die Höhle zu nehmen: getrocknete Früchte und Beeren, Nüsse, eine Dose Thunfisch, eine Dose Bohnen. Das ist inzwischen zu einer wöchentlichen Routine geworden. Lange Zeit habe ich mir selbst eingeredet, dass ich es tue, um zwischendurch etwas essen zu können, wenn ich die Höhlenwände bemale. Doch die Wahrheit ist, dass ich einen Nahrungsvorrat anlege, für den Fall, dass das Schlimmste eintritt und ich mich verstecken muss. Und mit dem Schlimmsten meine ich
sie
.

6
    Nachdem ich in wärmere Kleidung geschlüpft bin und meine Bettdecke unter dem Arm zusammengerollt habe, gehe ich endlich nach draußen. Die Sonne steht bereits im Westen, der Himmel ist wolkenlos. Es ist halb fünf. Somit habe ich höchstens anderthalb Stunden Zeit. Ich hasse diese sonntägliche Hetzerei, die Art, wie sich der Tag trotzdem bis zu dem Punkt in die Länge zieht, an dem wir endlich frei sind, nur um danach wie im Flug zu vergehen. Ich schaue nach Osten. Das vom Schnee reflektierte Licht zwingt mich, die Augen zuzukneifen. Die Höhle befindet sich hinter zwei Bergkuppen. Angesichts der Schneemassen, die den Boden bedecken, bezweifle ich, dass ich die Höhlenöffnung heute überhaupt erkennen werde. Gleichwohl setze ich meine Mütze auf, ziehe den Reißverschluss meiner Jacke zu, lege mir die Decke wie ein Cape um die Schultern und gehe in östliche Richtung.
    Zwei große Birken kennzeichnen den Anfang des Kletterpfads. Sobald ich meine Füße in den Schnee setze, werden sie eiskalt. Die Wolldecke verwischt den Schnee hinter mir und löscht meine Fußspuren. Ich komme an ein paar bekannten Stellen vorbei, die mir den Weg weisen: Ein Felsen, der hinter ein paar anderen in die Höhe ragt; ein Baum, der sich in einem ungewöhnlichen Winkel zur Seite neigt. Nach ungefähr zwanzig Minuten komme ich zu der Felsformation, die den Höckern eines Kamels ähnelt und mir verrät, dass ich mein Ziel fast erreicht habe.
    Ich habe das vage Gefühl, beobachtet oder womöglich sogar verfolgt zu werden. Ich drehe mich um und suche die Landschaft ab. Stille. Schnee. Sonst nichts. Die von meinen Schultern herabhängende Decke hat meine Spur komplett verwischt. Ein prickelndes Gefühl kriecht mir langsam in den Nacken. Ich habe schon Hasen gesehen, die sich so perfekt in die Umgebung eingefügt haben, dass sie unsichtbar blieben, bis man fast über sie gestolpert ist. Die Tatsache, dass ich niemanden entdecken kann, bedeutet allerdings nicht, dass ich selbst unsichtbar bin.
    Fünf Minuten später stoße ich schließlich auf den runden Busch, der den Eingang zur Höhle blockiert. Der Höhleneingang sieht aus wie ein in den Felsen eingefügter, übergroßer Murmeltierbau, weswegen ich ihn vor ein paar Jahren zuerst gar nicht erkannt habe. Als ich ihn mir jedoch näher ansah, wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte. Die Höhle war groß und dunkel, und damals konnte ich bei dem wenigen Licht, das hereindrang, so gut wie nichts erkennen. Ich hatte das

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