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Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Titel: Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gelesen? Du weißt, dass dieser Junge aus Ohio einer von uns ist. Du musst es wissen! Er könnte unsere einzige Chance sein!«
    »Unsere einzige Chance worauf?«, fragt sie.
    »Ein Leben.«
    »Und wie nennst du das hier?«
    »Es ist kein Leben, wenn wir die Tage damit verbringen, unsere Herkunft zu verleugnen«, antworte ich.
    Sie schüttelt den Kopf. »Gib es auf, Marina«, sagt sie und geht weg.
    Ich habe keine andere Wahl, als ihr zu folgen.
    Marina.
Der Name klingt so normal, so ganz nach
mir.
Ich zögere nicht, wenn Adelina mich mit diesem Namen anspricht oder mir eines der Mädchen aus dem Waisenhaus den Namen hinterherschreit, wenn ich mein Mathe-Buch vergessen habe. Aber es war nicht immer mein Name. Bevor wir nach Spanien und Santa Teresa kamen, als wir noch ziellos auf der Suche nach einer warmen Mahlzeit oder einem Bett umherirrten, noch bevor Adelina zu Adelina wurde, war ich Geneviève. Und Adelina war Odette. Das waren unsere französischen Namen.
    »Mit jedem neuen Land sollten wir unsere Namen ändern«, hatte Adelina mir zugeflüstert, als sie noch Signy hieß und wir in Norwegen waren, wo unser Schiff nach einem Monat auf See anlegte. Sie hatte sich Signy ausgesucht, weil die Frau hinterdem Tresen ein T-Shirt trug, auf das dieser Name gedruckt war.
    »Welchen Namen soll ich bekommen?«, hatte ich gefragt.
    »Was immer du möchtest«, hatte sie geantwortet. Wir hatten in einer trostlosen Stadt in einem Café gesessen und uns an der heißen Schokolade erfreut, die wir uns teilten. Signy hatte die Sonntagszeitung von einem Tisch nebenan weggeräumt. Auf der Titelseite war das Foto der schönsten Frau, die ich je gesehen habe: blondes Haar, hohe Wangenknochen, dunkelblaue Augen. Ihr Name war Birgitta. Also wurde mein Name Birgitta.
    Sogar als wir im Zug saßen und die Länder wie Bäume an uns vorbeisausten, wechselten wir immer unsere Namen, sei es auch nur für ein paar Stunden. Wir taten es, um uns vor den Mogadori oder sonstigen möglichen Verfolgern zu schützen. Doch inmitten all der Verzweiflung ließ dieses Spiel auch unsere Lebensgeister sprühen. Es hat mir viel Spaß gemacht und ich wünschte, ich wäre mehrmals quer durch Europa gereist. In Polen war ich Minka, Adelina wählte Zali. Sie hieß Mette in Dänemark, ich war Lene. In Österreich hatte ich zwei Namen: Sophie und Astrid. Sie verliebte sich in den Namen Emmalina.
    »Wieso Emmalina?«, hatte ich gefragt.
    Sie hatte gelacht. »Ich weiß nicht, warum. Ich glaube, mir gefällt, dass es zwei Namen in einem sind. Jeder für sich ist hübsch, aber wenn man sie zusammenwirft, entsteht etwas ganz Besonderes.«
    Ich frage mich gerade, ob dies das letzte Mal war, dass ich sie lachen hörte. Ob es das letzte Mal war, dass wir uns umarmt hatten oder Spekulationen über unser Schicksal anstellten. Ich glaube, ich hatte zum letzten Mal gespürt, dass es ihr wichtig war, meine Cêpan zu sein. Dass es ihr wichtig war, was mit Lorien, was mit mir geschehen würde.
    Wir kommen gerade rechtzeitig zum Beginn der Messe. Dieeinzig freien Plätze sind in der letzten Reihe, wo ich ohnehin am liebsten sitze. Adelina trottet nach vorn, dort wo die Schwestern sitzen. Vater Marco, der Priester, spricht mit seiner stets dunkel klingenden Stimme das erste Gebet und die meisten seiner Worte sind bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, als sie mich schließlich erreichen. Es gefällt mir, die Messe in gleichgültiger Apathie abzusitzen. Ich versuche, nicht daran zu denken, dass Adelina mich geschlagen hat, sondern konzentriere mich auf das, was ich nach Beendigung von El Festín tun werde. Der Schnee ist noch nicht geschmolzen, aber ich werde mir trotzdem den Weg zu meiner Höhle bahnen. Ich habe etwas Neues, das ich malen kann, und ich will das Bild von John Smith fertigstellen, das ich letzte Woche begonnen habe.
    Die Messe zieht sich endlos dahin mit ihren Riten und Liturgien, der Kommunion, den Gebeten, den Predigten. Zumindest kommt es mir so vor. Als das Abschlussgebet bevorsteht, bin ich total erschöpft und mache mir nicht wie sonst die Mühe, so zu tun, als würde ich beten. Stattdessen sitze ich mit erhobenem Kopf und geöffneten Augen da und beobachte die Hinterköpfe der Anwesenden. Die meisten kenne ich. Ein Mann schläft mit verschränkten Armen und auf die Brust gesenktem Kopf auf seiner Bank. Ich beobachte ihn, bis ihn irgendetwas in seinem Traum mit einem Stöhnen erwachen lässt. Mehrere Köpfe drehen sich um, als er wieder zur Besinnung kommt. Ich kann

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