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Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Titel: Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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vorbeidrücke, sehe ich mich hektisch um. Obwohl ich immer noch das Gefühl habe, beobachtet zu werden, erscheint hier draußen nichts ungewöhnlich. Mit höchster Aufmerksamkeit renne ich den Hügel hinunter. Als ich schließlich das Café erreiche, gehe ich hinein. Als einziger Ort ist es heute geöffnet, über die Hälfte der zwanzig Tische ist belegt. Dafür bin ich sehr dankbar, denn ich habe das Bedürfnis nach menschlicher Nähe. Ich will mich gerade hinsetzen, als mir Héctor auffällt, der allein in einer Ecke hockt und Wein trinkt.
    »Wieso bist du nicht bei El Festín?«
    Er sieht auf. Er hat sich rasiert, seine Augen wirken klar undwach. Offenbar hat er gut geschlafen. Heute ist er sogar gut angezogen. So habe ich ihn seit einer Ewigkeit nicht erlebt und frage mich, wie lange es anhalten wird.
    »Ich dachte, du würdest sonntags nichts trinken«, sage ich und wünsche mir augenblicklich, ich hätte es nicht getan. Héctor und Ella sind zurzeit meine einzigen Freunde und einer von ihnen ist heute schon spurlos verschwunden. Ich möchte Héctor nicht auch noch verlieren.
    »Das habe ich auch gedacht«, erwidert er, ohne mir meine Bemerkung übel zu nehmen. »Falls dir jemals ein Mann begegnet, der seine Sorgen ertränken will, dann sag ihm doch bitte, dass Sorgen schwimmen können. Komm her, setz dich zu mir.« Er schiebt mir einen Stuhl hin. Ich setze mich. »Wie geht es dir?«
    »Ich hasse diesen Ort, Héctor. Ich hasse ihn mit jeder Faser meines Körpers.«
    »So ein schlechter Tag?«
    »Hier ist jeder Tag ein schlechter Tag.«
    »Ach, so schlimm ist es doch gar nicht.«
    »Wie schaffst du es bloß, immer so fröhlich zu sein?«
    »Alkohol.« Er setzt ein schiefes Grinsen auf und gießt sich etwas in sein Glas, anscheinend die erste Ration des Tages. »Ich möchte es anderen gar nicht empfehlen. Aber bei mir funktioniert es.«
    »Oh, Héctor«, sage ich. »Ich wünschte, du würdest nicht so viel trinken.«
    Er kichert und nimmt einen Schluck. »Weißt du, was ich wünschte?«
    »Was?«
    »Dass du nicht immer so traurig aussiehst, Marina, Königin der Meere.«
    »Ich wusste gar nicht, dass ich so aussehe.«
    Er zuckt mit den Achseln. »Es ist mir halt aufgefallen, aber Héctor ist ohnehin ein scharfsinniger Mann.«
    Ich sehe nach rechts und links, lasse meinen Blick über die Anwesenden schweifen. Dann nehme ich die Serviette vom Tisch und lege sie mir in den Schoß. Danach lege ich sie auf den Tisch zurück. Und dann wieder auf meinen Schoß.
    »Erzähl mir, was dich bedrückt«, sagt Héctor und nimmt einen großen Schluck aus seinem Glas.
    »Überhaupt alles.«
    »Alles? Ich auch?«
    Ich schüttele den Kopf. »Na gut. Nicht alles.«
    Er zieht eine Augenbraue hoch und runzelt dann die Stirn. »Erzähl’s mir doch.«
    Ich habe das tiefe Bedürfnis, ihm mein Geheimnis zu verraten, ihm zu erzählen, warum ich hier bin und woher ich eigentlich komme. Ich möchte ihm von Adelina erzählen, ihrer Rolle in der Geschichte, und dass sie sich weigert, eben jene Rolle zu spielen. Ich möchte ihm von den anderen erzählen, die auf der Flucht sind, kämpfen oder so untätig wie ich dasitzen und nichts tun. Gäbe es eine Person, die mir mit Sicherheit auf jede erdenkliche Art helfen würde und mein Verbündeter wäre, dann wäre es Héctor. Immerhin ist er ein Verteidiger, dessen Aufgabe es ist, zu beschützen, und der allein Kraft seines Namens mit Mut und Stärke geboren wurde.
    »Hast du manchmal das Gefühl, nicht hierherzugehören, Hector?«
    »Sicher. An manchen Tagen.«
    »Warum bleibst du dann hier? Du könntest doch überall hingehen.«
    Er zuckt mit den Schultern. »Aus verschiedenen Gründen«, sagt er und gießt mehr Wein in sein Glas. »Erstens gäbe es sonst niemanden, der sich um meine Mutter kümmern würde. Zweitensist dieser Ort hier mein Zuhause und ich glaube nicht, dass es irgendwo anders viel besser wäre. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass sich die Dinge nur selten durch einen einfachen Ortswechsel verbessern lassen.«
    »Mag sein, aber ich kann es trotzdem kaum abwarten, hier zu verschwinden. Meine Zeit im Waisenhaus läuft in gut vier Monaten ab. Bitte erzähl es niemandem, aber ich glaube, ich werde schon eher fortgehen.«
    »Ich halte das für keine gute Idee, Marina. Du bist viel zu jung, um dich allein durchzuschlagen. Wo willst du denn hin?«
    »Nach Amerika«, antworte ich ohne zu zögern.
    »Amerika?«
    »Da gibt es jemanden, den ich unbedingt finden muss.«
    »Wenn es dir so

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