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Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Titel: Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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wichtig ist, warum bist du dann nicht schon längst weggegangen?«
    »Angst«, sage ich. »Hauptsächlich aus Angst.«
    »Da bist du nicht die Erste.« Er braucht einen Moment, um sein Glas zu leeren. Seine Augen haben ihre Schärfe eingebüßt. »Nur wenn man die Angst besiegt, kann man etwas verändern.«
    »Ich weiß.«
    Die Tür des Cafés öffnet sich und ein Mann in einem langen Mantel kommt herein. Er hält ein altes Buch in der Hand. Er geht an uns vorbei und setzt sich an einen Tisch in der hintersten Ecke. Er hat dunkles Haar und buschige Augenbrauen. Ein dicker Schnurrbart bedeckt seine Oberlippe. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.
    Als er seinen Kopf hebt und meinen Blick erwidert, spüre ich gleich, dass mir irgendwas an ihm nicht gefällt. Ich sehe weg. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass er mich weiter anstarrt. Ich versuche ihn zu ignorieren und nehme wieder das Gespräch mit Héctor auf. Oder vielmehr plappere ich unzusammenhängenddrauflos, sehe zu, wie er sein Glas mit Rotwein füllt, und höre kaum, was er mir antwortet.
    Nach fünf Minuten starrt der Mann mich immer noch an. Ich bin so genervt davon, dass sich das Café zu drehen scheint. Ich beuge mich über den Tisch und flüstere Héctor zu: »Weißt du, wer das da in der Ecke ist?«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein, aber mir ist auch aufgefallen, dass er uns beobachtet. Er war schon mal am Freitag hier, hat in derselben Ecke gesessen und dasselbe Buch gelesen.«
    »Irgendwas an ihm mag ich nicht. Aber ich kann nicht sagen, was es ist.«
    »Mach dir keine Gedanken. Ich bin bei dir«, sagt Héctor.
    »Ich sollte jetzt wirklich gehen.« Ich habe das eigenartige Gefühl, unbedingt wegkommen zu müssen. Ich versuche, den Mann nicht anzusehen, tue es aber dennoch. Er liest jetzt in seinem Buch. Dabei hält er es so, als wolle er unbedingt, dass ich den Titel erkenne. Der Buchdeckel ist rissig und abgegriffen. In einem düsteren Grauton steht darauf geschrieben:

    Pittacus? Pittacus?
    Der Mann schaut wieder zu mir und obwohl ich nur seine obere Gesichtshälfte sehen kann, scheinen seine Augen ein wissendes Lächeln auf seinen Lippen widerzuspiegeln.
    Plötzlich fühle ich mich, als hätte mich gerade ein Zug überrollt. Könnte er mein erster Mogadori sein?
    Ich springe auf, stoße dabei gegen den Tisch und werfe beinahe Héctors Weinflasche um. Mein Stuhl kippt nach hinten und knallt auf den Boden. Alle Leute im Café drehen sich zu mir um.
    »Ich muss gehen, Héctor«, sage ich. »Ich muss gehen.«
    Ich stolpere zur Tür hinaus und rase nach Hause. Ich laufe schneller als ein fahrendes Auto. Es ist mir egal, ob mich jemand dabei beobachtet. In wenigen Sekunden bin ich zurück in Santa Teresa, eile durch die Eingangstür und knalle sie hinter mir zu. Dann lehne ich mich dagegen und schließe die Augen. Versuche meine Atmung zu verlangsamen, das Zucken in Armen und Beinen sowie das Zittern meiner Unterlippe zu unterdrücken. Schweiß läuft mir übers Gesicht.
    Dann öffne ich die Augen. Adelina steht vor mir und ich sinke in ihre Arme, ohne noch an die Spannungen, die wir eben erst hatten, zu denken.
    Offenbar überrascht von dem plötzlichen Ausbruch meiner Gefühle, die ich ihr seit Jahren nicht mehr gezeigt habe, erwidert sie meine Umarmung. Dann löst sie sich wieder von mir. Ich öffne den Mund, um ihr zu erzählen, was ich eben erlebt habe.
    Doch genau so, wie ich Ella während der Messe ein Zeichen gemacht habe, legt sie jetzt den Finger an die Lippen, dreht sich um und geht weg.
     
    Zwischen dem Abendessen und den Gebeten stehe ich am Fenster des Schlafraums, schaue in die Dämmerung hinaus und suche die Landschaft nach verdächtigen Anzeichen ab.
    »Was machst du da, Marina?«
    Ich drehe mich um und entdecke Ella hinter mir. Ich habe sie nicht kommen hören, denn sie bewegt sich wie ein Schatten durch das Gebäude.
    »Da bist du ja«, sage ich erleichtert. »Geht es dir gut?«
    Sie nickt. Ihre großen braunen Augen verraten allerdings etwas anderes. »Was machst du da?«, fragt sie noch einmal.
    »Ich gucke nur so raus, das ist alles.«
    »Wonach suchst du? Kurz vor der Schlafenszeit schaust du immer aus dem Fenster.«
    Sie hat recht. Seit ihrer Ankunft sehe ich jede Nacht nach draußen, um nach dem Mann zu suchen, der mich durch das Kirchenfenster beobachtet hat. Ich bin mir jetzt sicher, dass es derselbe Mann ist, den ich heute im Café gesehen habe.
    »Ich halte Ausschau nach bösen Männern, Ella. Manchmal gibt es sie da

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