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Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Titel: Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ignoriert mich weiter. Daraufhin taste ich mit meinen Gedanken die Konturen des Buchs ab, seine dünnen, verstaubten Seiten und seinen groben Einband. Schließlich lasse ich das Buch zuknallen. Adelina fährt erschrocken in die Höhe.
    »Sag mir, wo er ist!«
    »Wie kannst du es wagen? Was glaubst du, wer du bist?«
    »Ich bin ein Mitglied der Garde und das Schicksal aller Loriener hängt von meinem Überleben ab, Adelina! Wie konntest du dich von ihnen abwenden? Wie konntest du dich auch von den Menschen abwenden? John Smith, der meiner Ansicht nach ein Mitglied der Garde ist, wird in den USA verfolgt. Als er kürzlich auf dem Highway angehalten wurde, konnte er einen Polizisten über die Straße schleifen, ohne ihn anzufassen. Genau so, wie ich es kann. So wie ich es gerade mit deinem Buch getan habe. Siehst du nicht, was geschieht, Adelina? Wenn wir nicht bald etwas tun, dann wird nicht nur Lorien verloren sein, sondern auch die Erde, dieses dämliche Waisenhaus und dieses dämliche Dorf!«
    »Was fällt dir ein, diesen Ort so zu nennen?« Mit geballten Fäusten beugt sich Adelina zu mir. »Dies ist der einzige Ort, an dem wir Unterschlupf gefunden haben, Marina. Der einzige Grund, weshalb wir noch leben. Was haben die Loriener für uns getan? Sie haben uns für ein Jahr lang in ein Raumschiff gesperrt, danach warfen sie uns auf einen grausamen Planeten. Wir bekamen keinerlei Instruktionen oder Hilfe, nur den Befehl, uns zu verstecken und zu trainieren. Trainieren – wozu?«
    »Um die Mogadori zu bekämpfen. Um Lorien zurückzuerobern.«Ich schüttele den Kopf. »Die anderen sind in diesem Augenblick wahrscheinlich irgendwo da draußen, kämpfen und versuchen herauszukriegen, wie wir alle uns finden und nach Hause kommen können. Und wir sitzen derweil in diesem Gefängnis und tun gar nichts.«
    »Ich führe mein Leben in der Bestimmung, der menschlichen Rasse mit meinen Diensten und meinen Gebeten zu helfen. Und das solltest du ebenfalls tun.«
    »Deine einzige Bestimmung auf Erden war,
mir
zu helfen.«
    »Du lebst doch noch, oder nicht?«
    »Ja, aber nur im buchstäblichen Sinn, Adelina.«
    Sie lehnt sich zurück und öffnet wieder ihre Bibel. »Lorien ist tot und verbrannt, Marina. Was macht das schon aus?«
    »Lorien ist nicht tot, sondern im Winterschlaf. Das hast du selbst gesagt. Und der springende Punkt ist: Wir sind noch nicht tot.«
    Sie schluckt. »Wir alle haben das Todesurteil erhalten«, sagt sie mit leicht zittriger Stimme. Dann fährt sie in sanftem Tonfall fort: »Unser Leben war von Anfang an dem Untergang geweiht. Solange wir hier sind, sollten wir Gutes tun. Dann haben wir vielleicht ein gutes Leben nach dem Tod.«
    »Wie kannst du so etwas sagen?«
    »Weil es die Realität ist. Wir sind die letzten einer sterbenden Rasse, und bald werden auch wir verschwunden sein. Gott möge uns helfen, wenn die Zeit gekommen ist.«
    Ich schüttele wieder den Kopf. Ich habe keine Lust, über Gott zu sprechen. »Wo ist mein Kasten? Ist er hier in diesem Raum?«, frage ich und lasse meinen Blick über die verwinkelten Wände gleiten. Schließlich kauere ich mich zusammen und spähe unter ein paar der Betten.
    »Selbst wenn du ihn hättest, könntest du ihn ohne mich nicht öffnen«, sagt sie. »Das weißt du doch.«
    Sie hat recht. Wenn es stimmt, was sie mir schon vor Jahren erzählt hat – als ich ihren Worten noch Glauben schenken konnte. Die ganze Ausweglosigkeit wird mir plötzlich bewusst. Die Stiefelabdrücke im Schnee, John Smith auf der Flucht, die entsetzliche Klaustrophobie von Santa Teresa und dann meine Cêpan Adelina, die mir dabei helfen sollte, mein Erbe zu entwickeln, unsere Mission jedoch aufgegeben hat. Sie weiß nicht einmal, welche Bestandteile meines Erbes ich schon herausgebildet habe. Ich kann im Dunkeln sehen, unter Wasser atmen, mit Supergeschwindigkeit rennen, Dinge mit der Kraft meines Geistes bewegen und Pflanzen von der Schwelle des Todes zurück ins Leben holen. Auf einmal bekomme ich eine Heidenangst.
    Und plötzlich, im ungünstigsten Moment, betritt Schwester Dora das Zimmer. Sie stemmt ihre Hände in die Hüften. »Wieso bist du nicht in der Küche?«
    Ich erwidere ihren finsteren Blick. »Oh, halten Sie doch die Klappe«, murmele ich und marschiere aus dem Zimmer, bevor sie etwas sagen kann. Ich laufe durch den Flur, dann die Treppe hinunter, schnappe mir meinen Mantel und haste an den Doppeltüren vorbei nach draußen.
    Während ich mich an den Schatten am Straßenrand

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