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Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2

Titel: Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Liebe geben zu können‹. Ich weiß nicht, wie lange die Unterhaltung gedauert hat, aber Ella sagt, sie kämen morgen wieder. Ich weiß, was das bedeutet und gieße das kochende Wasser so langsam es geht in die Becher, um möglichst viel Zeit mit Ella verbringen zu können.
    »Ella? Wie oft denkst du eigentlich an deine Eltern?«, frage ich.
    Ihre braunen Augen werden groß. »Meinst du heute?«
    »Ja, sicher. Heute. Oder an irgendeinem anderen Tag.«
    »Ich weiß nicht …«, sagt sie und verstummt dann. Nach einer Weile fügt sie hinzu: »Eine Million Mal?«
    Ich beuge mich hinunter und umarme sie. Ich weiß nicht, ob ich das mache, weil sie mir leidtut oder ich mir selbst leidtue. Auch meine Eltern sind tot. Opfer eines Krieges, den ich eines Tages fortzusetzen bestimmt bin.
    Dann gebe ich die zerdrückten Pillen in Adelinas Becher. Ich bereue jetzt schon, dass ich mich entschieden habe, ihr ein Schlafmittel zu verabreichen. Doch ich habe keine andere Wahl. Meinetwegen kann sie dabeistehen und auf den Tod warten, wenn das ihre Wahl ist. Aber ich weigere mich kampflos aufzugeben und werde alles in meiner Macht Stehende tun, um zu überleben.
    Das Tablett zittert in meinen Händen. Ich lasse Ella am Tisch zurück und mache meine Runde. Einen nach dem anderen verteile ich meine Becher im Waisenhaus. Als ich in das Quartier der Schwestern geführt werde, um Adelina ihren Tee zu geben, schiebe ich ihren Becher vorsichtig an den Rand des Tabletts. Sie nimmt ihn mit einem höflichen Kopfnicken entgegen. »Schwester Camilla fühlt sich heute Abend nicht wohl. Man hat mich gebeten, heute Nacht an ihrer Stelle bei euch Mädchen zu schlafen.«
    »In Ordnung«, sage ich. Während ich darüber nachdenke,welche Möglichkeiten sich bieten, wenn Adelina und ich heute Nacht im selben Raum sind, sehe ich zu, wie sie einen großen Schluck aus ihrem Teebecher nimmt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich gerade einen großen Fehler mache oder mein Vorhaben beschleunige.
    »Dann sehen wir uns später«, sagt sie und winkt mir zu.
    Ich bin sprachlos und lasse beinahe die beiden restlichen Becher vom Tablett auf den Boden fallen. »O-Okay«, bringe ich stammelnd hervor.
    Als das Abendläuten eine halbe Stunde später einsetzt, sind die Mädchen noch lange nicht eingeschlafen. Viele unterhalten sich flüsternd miteinander. Alle paar Minuten hebe ich den Kopf und sehe zu Adelina hinüber, die auf dem Bett am anderen Ende des Raums liegt. Ihr Winken hat mich verwirrt.
    Zehn weitere Minuten vergehen. Ich kann spüren, dass die meisten noch immer wach sind, einschließlich Adelina. Normalerweise schläft sie schnell ein, wenn sie Aufsichtsdienst hat. Offenbar ist sie noch wach, weil sie darauf wartet, dass alle anderen im Raum eingeschlafen sind. Nun bin ich davon überzeugt, dass ihr Winken eine Fortsetzung unseres Gesprächs andeuten sollte.
    Im Schlafraum ist es jetzt still. Ich warte weitere zehn Minuten, bevor ich wieder den Kopf hebe. Adelina hat sich in der letzten halben Stunde nicht bewegt. Vorsichtig benutze ich meine Telekinese, hebe die linken Beine ihres Bettes ein wenig an und versetze ihr einen leichten Stupser.
    Plötzlich hebt sie den linken Arm über den Kopf, als wollte sie mit einer weißen Flagge ihre Kapitulation signalisieren, und deutet auf die Tür.
    Ich schlage meine Bettdecke zurück, stehe auf und gehe auf Zehenspitzen durch den Raum. Als ich den Flur erreiche, laufe ich ein paar Meter durch die Dunkelheit, halte den Atem an,und hoffe, dass es nicht irgendeine blöde Falle ist, die mir Adelina und Schwester Dora womöglich gestellt haben.
    Nach dreißig Sekunden folgt mir Adelina in den Flur. Ihr Gang ist schwerfällig, sie schwankt hin und her.
    »Komm mit mir«, flüstere ich und nehme ihre Hand. Seit Jahren habe ich sie nicht mehr an der Hand gehalten. Sofort erinnere ich mich, wie wir uns auf einer Schifffahrt nach Finnland aneinandergekuschelt hielten, als ich krank und sie so stark war. Es gab eine Zeit, in der wir so eng beieinander waren, dass kein Bogen Papier zwischen uns gepasst hätte. Jetzt fühlt sich allein die Berührung ihrer Hand fremd an.
    »Ich bin so müde«, gesteht Adelina, während wir in den ersten Stock hinaufsteigen. Wir sind auf halbem Weg in den Nordflügel und haben den verschlossenen Glockenturm fast erreicht. »Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist.«
    Aber ich weiß es. »Möchtest du, dass ich dich trage?«
    »Das kannst du doch nicht.«
    »Nicht mit den Armen«, sage ich.
    Sie ist

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