Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2
zu müde, um Einspruch zu erheben. Ich konzentriere mich auf ihre Beine und Füße. Ein paar Sekunden später habe ich Adelina vom Boden angehoben und lasse sie durch den staubigen Korridor schweben. Wir kommen an den alten, in den Fels gehauenen Figuren vorbei und landen schließlich in dem enger werdenden Gang, der auf den Nordturm zuführt. Wir schweigen und ich fürchte, dass Adelina eingeschlafen ist. Dann aber sagt sie: »Ich kann kaum glauben, dass du Telekinese benutzt, um ein altes Mädchen wie mich durch die Gänge schweben zu lassen. Wo wollen wir eigentlich hin?«
»Ich musste ihn verstecken«, flüstere ich. »Wir sind gleich da. Versprochen.«
Danach nehme ich das Vorhängeschloss von der schweren Eichentür ab. Während ich der schwebenden Adelina über diegewundene Steintreppe den nördlichen Glockenturm hinauffolge, kann ich Erbes schwaches Maunzen von oben hören.
Ich öffne die Tür zum Glockenstuhl und lasse Adelina vorsichtig neben dem Kasten auf den Boden herunter. Sie legt ihren linken Arm auf den Deckel und lehnt sich gegen den Kasten. Ich kann deutlich erkennen, dass sie kurz davor steht, den Kampf gegen die Pillen zu verlieren. Jetzt ärgere ich mich, dass ich sie getäuscht habe.
Erbe springt auf ihren Schoß und leckt ihre rechte Hand. »Wie kommt denn hier eine Katze herein?«, murmelt Adelina.
»Das ist egal. Hör zu, Adelina. Du bist fast eingeschlafen und ich möchte, dass du vorher den Kasten mit mir öffnest. Okay?«
»Ich glaube nicht, dass ich …«
»Dass du was?«, frage ich.
»Gerade die Kraft dazu habe, Marina.« Ihre Augen sind geschlossen.
»Doch, das hast du.«
»Leg deine Hand auf das Schloss. Und dann leg meine Hand auf die andere Seite.«
Ich drücke meine Handfläche auf das Schloss. Es wird sofort warm. Dann ziehe ich mithilfe der Telekinese Adelinas Hand von Erbe weg und lasse sie auf die andere Seite des Schlosses sinken. Sie verschränkt ihre Finger mit meinen.
Eine Sekunde vergeht, dann öffnet sich das Schloss mit einem Klicken.
***
»Äh, Leute? Irgendwas passiert hier gerade.« Die sieben Himmelskörper, die vor meiner Brust schweben, drehen sich immer schneller umeinander. Ich kann sie nicht mehr kontrollieren. Sie werden plötzlich so hell, dass ich meine Augen schützen muss.
»Hey! Hey! Mach sie aus, John!«, ruft Sam. »Ich versuche hier zu fahren.«
»Ich weiß nicht, was los ist.«
»Fahr da rüber und halt an!«, brüllt Sechs.
Sam reißt das Lenkrad nach rechts, fährt auf den Seitenstreifen und rammt den Fuß auf die Bremse. Kleine Steinchen knirschen unter den Reifen und werden aufgewirbelt. Die Planeten kreisen jetzt mit einer so irren Geschwindigkeit um die Sonne, dass man sie gar nicht mehr unterscheiden kann. Mit jeder Umkreisung nähern sie sich der Sonne und werden dann von ihr aufgesogen, bis sie selbst die Größe eines Basketballs erreicht hat. Der neu entstandene Himmelskörper dreht sich um seine Achse und gibt ein so grelles Licht von sich, dass ich für einen Augenblick geblendet werde. Nach und nach wird er dann wieder dunkler, während sich die Umrisse auf seiner Oberfläche lösen und verschieben, bis eine exakte Kopie der Erde erscheint – mit allen Kontinenten und Meeren.
»Das ist … Das sieht aus wie die Erde«, sagt Sam.
Der Himmelskörper dreht sich weiter. Nach der dritten oder vierten Umdrehung erkenne ich einen winzigen pulsierenden Lichtpunkt.
»Seht ihr das kleine Licht?«, frage ich. »Da, in Europa.«
»Ja, tatsächlich«, sagt Sam. Er wartet eine weitere Umdrehung ab und beobachtet den Lichtpunkt. »Ich würde sagen, das ist … Spanien oder Portugal? Kann mal jemand das Laptop holen? Schnell!«
Während ich meinen Blick auf die Kugel und das pulsierende Licht gerichtet halte, greife ich hinter mich und ziehe das Laptop hervor. Ich reiche es Sechs, die es an Sam weitergibt. Er betrachtet den schwebenden Himmelskörper, gibt etwas in den Computer ein und sieht wieder auf. »Also, das ist definitiv Spanien, irgendwo in der Nähe von … Augenblick, die nächstliegendeStadt ist Léon. Aber das ist ganz schön abgelegen. Was wir da sehen, sind die Picos de Europa. Hat schon mal jemand von dieser Bergkette gehört?«
»Ganz bestimmt nicht«, antworte ich.
»Ich auch nicht«, sagt Sechs.
»Könnte das vielleicht unser Raumschiff sein?«, frage ich.
»In Spanien? Auf keinen Fall. Zumindest bezweifle ich das«, sagt Sechs. »Ich meine, wenn es unser Schiff ist, warum sollte es dann ausgerechnet zu
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