Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2
renne mit Ella zum Schlafraum. Wir drücken uns an den Mädchen im Flur vorbei, die sich flüsternd über etwas unterhalten, das in der Stadt passiert ist.
»Sie waren genau dort«, sagt Ella und zeigt auf das Fenster.
»Bist du sicher, dass es drei waren?«
Sie nickt. »Ja, und sie haben gesehen, dass ich sie beobachtet habe. Dann sind sie weggelaufen.«
»Wie sahen sie aus?«, frage ich.
»Sie waren groß und hatten sehr langes Haar. Und ihre Mäntel reichten fast bis auf die Schuhe«, erklärt sie.
»Und Schnurrbärte. Sie hatten doch Schnurrbärte, oder?«
»An Schnurrbärte kann ich mich nicht erinnern.«
Ich bin durcheinander, habe aber nicht viel Zeit darüber nachzudenken, denn in Kürze wird Adelina mit einer Tasche und all den Habseligkeiten auftauchen, die sie in den letzten elf Jahren angesammelt hat.
Gerade als ich kurz unter die Dusche springen will, hält mich Analee, ein anderes Mädchen, am Arm fest. »Der Unterricht fällt heute aus. Miranda Marquez wurde heute Morgen in der Schule gefunden. Erdrosselt.«
Schockiert lasse ich mich auf mein Bett fallen. Miranda Marquez ist das dunkelhaarige Mädchen aus dem Dorf. Sie sitzt im Spanischunterricht neben mir. Maestro Muñoz, unser Lehrer, verwechselt uns manchmal, weil Miranda genau so groß und dünn ist wie ich, und weil ihr Haar meinem sehr ähnelt.
Es dauert eine Sekunde, bevor mir klar wird, dass sie vielleicht umgebracht wurde, weil der Mörder sie mit mir verwechselt hat. Irgendwer hat gestern Nacht versucht, mich zu töten.
»Das ist … wirklich schrecklich«, flüstere ich.
»Außerdem habe ich gehört, wie die Schwestern darüber gesprochen haben, dass Leute aus dem Dorf gestern Nacht ein paar fliegende Menschen gesehen haben. Jetzt sind diese ganzen Journalisten mit ihren Kameras da und machen eine Reportage«, sagt Analee.
Alles passiert gerade so schnell! Die Mogadori haben mich gefunden. Sie haben meine Höhle entdeckt. Ich war leichtsinnig und Zeugen haben gesehen, wie ich mit Adelina vom Turm heruntergeschwebt bin. Ein Mädchen aus der Schule ist vielleicht wegen mir gestorben. Und Adelina und ich verlassen das Kloster mitten im Winter, ohne zu wissen, wo wir hinsollen.
Ich dusche so schnell wie noch nie in meinem Leben. Dann warte ich auf Adelina.
23
»Wir werden
nicht
zu Sarah gehen«, sagt Sam und folgt mir an den Waldrand. »Wir haben dieses Schreibtafelding, wahrscheinlich das Sendegerät, wonach wir gesucht haben. Jetzt müssen wir zurück und Sechs helfen.«
Ich mache einen Schritt auf ihn zu. »Sechs kommt schon allein zurecht. Ich bin hier und Sarah ist gleich da drüben. Ich liebe sie, Sam. Und ich werde zu ihr gehen. Es ist mir egal, was du sagst.«
Sam zieht sich etwas zurück, während ich auf Sarahs Haus zugehe. »Liebst du sie wirklich, John?«, fragt er plötzlich. »Oder bist du in Sechs verliebt? Welche von beiden ist es?«
Ich wirbele herum und leuchte ihm mit der Handfläche mitten ins Gesicht. »Du glaubst, dass ich Sarah nicht liebe?«
»Hey, also hör mal!«
»Tut mir leid«, murmele ich und lasse meine Hand sinken.
Sam reibt sich die Augen. »Das ist doch eine berechtigte Frage, Mann. Ich sehe dich und Sechs die ganze Zeit herumflirten,
wirklich die ganze Zeit,
und du machst es direkt vor meinen Augen. Du weißt, dass ich sie mag, aber es ist dir völlig egal. Zu allem Überfluss hast du bereits das heißeste Mädchen aus Ohio zur Freundin.«
»Es ist mir durchaus nicht egal«, flüstere ich.
»Wovon redest du?«
»Ich weiß, dass du Sechs gern hast, Sam. Aber du hast recht –ich mag sie auch. Ich wünschte, es wäre nicht so. Es ist idiotisch und dir gegenüber gemein, aber ich kann nicht aufhören, an sie zu denken. Sie ist so cool und hübsch. Und außerdem ist sie Lorienerin, was natürlich besonders klasse ist. Aber ich
liebe
Sarah. Und deshalb muss ich sie unbedingt sehen.«
Sam hält mich am Ellbogen fest. »Alter, das geht nicht. Wir müssen zurück und Sechs helfen. Überleg doch mal. Wenn sie uns schon bei mir aufgelauert haben, dann werden sie erst recht und noch zahlreicher bei Sarah warten.«
Behutsam ziehe ich meinen Ellbogen aus seiner Umklammerung. »Du wirst doch deine Mom sehen wollen, oder? Sie war am Haus.«
»Jep«, seufzt er und sieht auf seine Schuhe hinunter.
»Du gehst und triffst deine Mom, ich treffe Sarah.«
»Damit kannst du mich auch nicht überzeugen. Wir haben doch das Sendegerät, oder? Deswegen sind wir nach Paradise gekommen. Nur aus diesem
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