Die Macht der Steine
Männern, sich einzeln zu dem Baum zu begeben, Ezeki zuerst, dann Musa Salih und danach Breetod.
»Dat sie, im Glühen, nit ritzen weit wegen Eiter«, erläuterte Ezeki. Die Freiwilligen sahen mit einer Mischung aus Angst und Interesse zu, wie der Schwertkämpfer den Rücken des alten Habiru leicht aufritzte. Blut rann herunter.
»Jetzt den Arm«, sagte Ezeki und zuckte zusammen. Die Klinge schnitt leicht vom Handgelenk bis zum Ellbogen. »Jetzt den Gürtel um den Oberarm wickeln«, befahl er. Er verscheuchte winzige Insekten, welche die Wunde umschwärmten. Einer nach dem anderen wurde auch der Rest behandelt, bis schließlich der letzte mit bleichem Gesicht zurückkam und schmerzerfüllt die Augen schloß.
»Dat wir, voran jetzt, schnellschnell«, ordnete Ezeki an. Breetod bedeutete ihnen, dem alten Mann zu folgen. Sie marschierten durch den inneren Bereich des Lagers und verhielten vor der stacheligen Barriere auf der glasierten Außengalerie der Stadt.
»Wir sind verwundet!« kreischte Ezeki, wobei er gar nicht mal übermäßig schauspielern mußte.
»Wir brauchen Hilfe!« Nebeki ging mit einer weiteren Abteilung Soldaten hinter den Zelten in Deckung und wartete darauf, daß die Stacheln sich senkten. Durragon sah mit gegrätschten Beinen und hinter dem Rücken verschränkten Armen zu.
Die Stacheln blieben in Position. Ezeki löste den Gürtel vom Arm und quetschte noch mehr Blut heraus. »Seht, wir sind verwundet!« schrie er, diesmal schon ungehalten. »Wir benötigen medizinische Betreuung!« Er wischte mit einer Hand über den Arm und verschmierte das Blut auf einem Silikat-Stachel. Der erzitterte unter der Berührung.
Durragon schüttelte den Kopf. Er wandte sich seinem Burschen zu und schickte nach den Kräuterkundlern des Lagers.
Breetod fühlte sich schwach und elend. Sein Gesicht war blaß, und sein schweißüberströmter Körper durchnäßte die zerlumpte Montur. Die Morgenluft war kalt wie Eis. Musa Salih sackte auf die Knie, und ein Jäger half ihm wieder auf die Beine. Ezeki fluchte unterdrückt und drehte sich zum Lager um. »Bringt die…«
Die Stacheln schlugen mit einem glockenartigen Hallen aneinander. Stimmen wurden unter den ein Dutzend Meter entfernten Soldaten laut. Ezeki wandte sich um und sah, wie sich in der Barriere eine Öffnung auftat – die Stacheln wurden umgelegt und bildeten eine ebene Fläche. Er stolperte vorwärts. Breetod, Musa Salih und Belshezar folgten. Die verwundeten Jäger blieben entsetzt zurück, bis Durragon sie brüllend zum Weitergehen aufforderte. Ihr Blut besudelte den Boden.
Nebeki wartete, bis der letzte Mann durch die Öffnung gegangen war. »Jetzt!« schrie Durragon.
Das zweite Einsatzkommando tauchte mit dem General an der Spitze hinter den Zelten auf und hetzte zu der Bresche, um noch durchzukommen, bevor sie sich wieder schloß. Nebeki erreichte die Barriere als erster. Er flankte über einen sich aufrichtenden Stachel – und riß erschrocken die Augen auf, und sein Kiefer klappte nach unten, als ein zweiter Stachel nach oben zuckte, sich ihm in den Magen bohrte und ihn hoch in die Luft hob. Die Stadt bellte, als ob sie Qualen litte, griff Nebekis Schrei auf und verstärkte ihn tausendfach. Der Rest der zweiten Gruppe fiel zurück und hielt sich die Hände auf die Ohren. Der Lärm ebbte ab, und Durragon schaute auf. Nebeki war über die Barriere geschleudert worden. Sein Leichnam lag verkrümmt auf dem Boden. Die Stacheln vibrierten noch immer. Sie Schossen mit einem Ruck in die Höhe. Neue Stacheln krochen unter der Barriere hervor und marschierten auf das Lager zu. Durragon hatte bereits die Flucht ergriffen und befand sich dicht vor seinen Leuten. Sie traten den Rückzug an, stolperten über Zeltheringe, Seile und übereinander. Sie rannten über gefallene Jäger und Ausrüstungsgegenstände hinweg, wobei sie wie Gazellen sprangen.
Binnen zwei Minuten war ein Drittel des Lagers vernichtet, und die Barriere beendete ihre Expansion. Durragon lag mit vor Schreck verzerrtem Gesicht dort, wo er gestürzt war, kaum drei Meter von den neu gesprossenen Stacheln entfernt. Sein Adjutant lag mit gebrochenen Augen zerschmettert auf der Erde, und Blut tröpfelte aus seinem Mund.
Der General schrie sich die Kehle heiser, erhob sich dann und säuberte seine Kleidung.
Reah versteckte sich hinter einer Säule und lauschte dem Gespräch der Männer. Sie hörte Belshezars Stimme heraus. Der Kleiderständer verharrte reglos in der Nähe, wobei seine
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