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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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getroffen. Vielleicht braucht sie mich. Und wenn sie mich braucht, dann braucht sie uns…«
    Er kam näher. Er zog einen Draht aus der Tasche. Er hatte die Enden mit festem Tuch umwickelt und zu Schlaufen gespleißt. Es wäre wie der Tod, den Perja ihm zugedacht hatte.
    Sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Ein Arbeiter rollte durch die Tür. Hinter dem Arbeiter folgten mit großen Augen Musa und Ezeki.
    Durragon trat vor, legte den Draht um ihren Hals, drückte ihr das Knie gegen den Hals, riß ihr Kinn zurück und hörte das Knacken. Er löste die Schlinge und trat zurück. Der Körper fiel zu Boden.
    Der Arbeiter raste an ihm vorbei. Er brachte ein Netz zum Vorschein, wie silbrige Haarsträhnen, und legte es über den Kopf der Frau. Nein, das würde nicht klappen – Durragon trat gegen den Arbeiter…
    … und brach sich beinahe den Fuß. Der Robot schien im Boden verwurzelt zu sein.
    Musa stand mit hängendem Kiefer da und starrte nur auf die Szenerie, aber Ezeki schüttelte heftig den Kopf und entwand dem Moslem das Messer. »Du sollst verdammt sein!« schrie er. Durragon vollführte eine halbe Drehung.
    Reah, deren Blick sich trübte, spürte das Netz auf dem Kopf und glitt erneut in den weiten Raum mit den Strukturen der Tradition ab. Aber diesmal war der Funke eine Sonne, die unter ihr aufging, und ihr Zorn war unermeßlich.
    Dann verstrich eine enorme Zeitspanne.
     
    Es war in der Mitte des Monats Sivan, ein ruhiger, trockener Tag im Dorf Akkabar. Die glatten Wände des inneren Stadtsektors umgaben das Dorf. In der Nähe der Haupt-Schule trat ein Schwall Wasser aus der Wand aus – nicht unter ihr, sondern durch eine Oberfläche so glatt wie Glas – und schlängelte sich unter einem Flügel des Haupttores hinaus. Es gab vier Tore im inneren Wall, aber keines davon führte in die Stadt. Statt dessen erhielten die Einwohner durch breite Tunnel Zugang nach draußen.
    Ezeki Iben Tav saß an der Vorderseite des größten Klassenzimmers in der am Fluß gelegenen Schule. Er hatte gerade den Geschichtsunterricht beendet, und die Schüler schrieben auf Schiefertafeln. Es waren schöne Kinder, und jeden Tag wurden es mehr. Die von den Dörflern errichteten Wohnheime waren fast vollständig mit Kindern belegt, und doch brachten Transporter ständig weitere Kranke und Behinderte zu den äußeren Barrikaden. Die Stadt gewährte ihnen Einlaß, heilte sie und setzte sie Wochen später nachts in Akkabar ab. Sie waren gesund und fröhlich, genau die Art Kinder, die Eltern, die ihre eigenen Kinder verloren hatten, gerne adoptieren würden. Die Anzahl der potentiellen Eltern war gering, aber was machte es bei solchen Kindern aus, ob man nun hundert oder tausend adoptierte? Die Stadt sorgte für Verpflegung. Obst gedieh entlang der inneren Wälle, und andere Nahrungsmittel – Korn, Viehfutter – sprossen ohne besondere Hege und Pflege aus dem Boden, jetzt, wo die Wasserversorgung gewährleistet war.
    Musa betrat das Klassenzimmer und klatschte in die Hände. Nun stand Leibesertüchtigung auf dem Stundenplan. Musa lehrte sie Spiele und bildete sie in Kampftechniken aus; die Jäger kehrten nämlich gelegentlich zu Wiederauferstehung zurück und provozierten Scharmützel.
    Die älteren Jungen und Mädchen blieben einige Augenblicke im Hintergrund, um sich miteinander bekanntzumachen. Ezeki schaute aus der offenen Vorderseite des Klassenraumes auf das Dorf und trat dann unter der roten Plane ins Sonnenlicht hinaus, wobei er die Augen beschirmte. Ein schlanker Turm erhob sich an der Nordseite der Stadt.
    Er bedauerte nur zwei Dinge. Er hatte so wenig Zeit gehabt, das in der Stadt gespeicherte Wissen zu sichten. Dieses Bewußtsein und die Gewißheit, daß er nie wieder in die Stadt gelangen konnte, würden ihn immer verfolgen. Sein zweites Bedauern galt den Kindern, die trotz ihrer prächtigen Verfassung nicht nur mit dem Trauma aus der Stadt entlassen wurden, nie an ihrer Schönheit teilhaben zu können, sondern auch von bestimmten Eindrücken verfolgt wurden, die ihnen aufgeprägt worden waren. Mit der Zeit schienen sie sich jedoch damit zu arrangieren. Ezeki war ein guter Pädagoge und ein guter Ausbilder der Ausbilder. Dies war nur ein geringer Preis, der für ihre Gesundheit und Schönheit zu zahlen war.
    Unter den Kindern kursierten Geschichten. In der Stadt waren sie oft einer Gestalt begegnet, die sie schlicht Geister-Frau nannten. Sie kam und ging, lächelte nie und runzelte auch nie tadelnd die Stirn, und ein Stern

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