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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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glühte auf ihrer Stirn. Ob sie nun den Stern führte oder von ihm geführt wurde, niemand wußte es.
    Gelegentlich hatten sie auch ein anderes Kind gesehen – kein Geist, sondern aus Fleisch und Blut –, das aber von ihnen ferngehalten wurde und nie mit ihnen spielen durfte. Zu den seltenen Anlässen, aus denen die Stadt sprach, hatte sie den Kindern erklärt, daß es sich bei diesem Kind um den wiedergeborenen Christus handelte, der darauf wartete, sie zu gegebener Zeit von ihren Sünden zu befreien. Das beunruhigte Ezeki. Er konnte sich wohl vorstellen, daß die Stadt ein verlassenes Kind aufpäppelte, aber warum durfte es bleiben?
    Von all den Mysterien und Erinnerungen beschäftigte ihn eine ganz besonders. Die letzten Schreie der Stadt, der Tag, als er und Musa und Durragons Leiche in Akkabar ausgesetzt worden waren… der ganze Himmel, übersät mit flammenden Brandzeichen, hätte nicht so herzzerreißend schreien können. Schließlich war Verrat auf Verrat gefolgt – der Angriff auf die Frau, dann der Mord an Durragon. Keine heilige Stadt konnte so etwas verkraften. Zu ihrem Glück hatte sie den Plan der Frau verwirklicht.
    Waren sie oder ihr Bewußtsein noch immer in der Stadt und kontrollierten sie?
    Zwischen den strukturierten Räumen spürte Reah, wie ihre Kinder kamen und gingen. Da war ein Kind, das blieb, aber sie durfte es nie deutlich sehen. Das beunruhigte sie. Sie befand sich im Bann des glühenden Funkens, der nun millionenfach reflektiert wurde, wie ein Suchscheinwerfer im Nebel. Sie war nicht lebendig, und sie war auch nicht tot. Sie spürte zwar die Präsenz des großen Moleküls, aber sie konnte sich nicht mit ihm verbinden. Obwohl es ihr an allem fehlte, war sie doch auf eine gewisse Art zufrieden. Vor langer Zeit hatte ihre Mutter ihr erzählt, daß Frauen keinen Zutritt zum Paradies hätten.
    Aber wenn sie schon nicht mehr kommandierte, so mußte sie wenigstens auch nicht dienen. Sie streifte umher, dachte nach, wenn es möglich und angemessen war, aber in der Regel wartete sie einfach nur ab.
    Das Ganze war ein Spiel, unendliche Zeitintervalle zwischen der Synthese von Riesenmolekülen. Bald würden andere ihre Aufgabe übernehmen, oder die Städte würden sterben und vergehen wie Ameisen im Fokus eines Brennglases. Auf die eine oder andere Art wäre sie freier als jemals zuvor.
    Nach wie vor kultivierte sie eine Art von Stolz. Sie hatte wichtige Züge in diesem Spiel gemacht. Immer wenn sie diesen Stolz verspürte, erschien die molekulare Verbindung dräuend vor ihr und schien zu fragen: Noch nicht bereit?
    Nein, noch nicht…

Der Städte wurden weniger und weniger. Ihre Willenskraft schwand, die Umwelt veränderte sich; oft genug suchten Expoliten und Jäger den Ort ihres Untergangs auf und versetzten ihnen den Todesstoß. Jahrhundertelange Verwirrung und Selbstbezichtigung war schließlich in Zorn und Haß umgeschlagen.
    Als die Anzahl der Städte immer kleiner wurde, nahmen manche Kontakt mit den anderen auf und reaktivierten lange unterbrochene Kommunikationsstränge. Dialoge wurden ausgetauscht, scheu, zögerlich zunächst, dann ausführlicher. Informationen wurden unter den Städten ausgetauscht und seltsame Geschichten erzählt, denn in manchen Städten hatten sich wundersame Dinge ereignet.
    Das Sterben der Städte setzte sich fort. Schließlich, als ob sie den Schmerz plötzlich abbrechender Verbindungen oder die noch schlimmere Pein täglich schwächer werdender Verbindungen nicht mehr aushalten konnten, stellten die Städte ihre Kommunikation ein.
    Die paar noch überlebenden Städte waren stumm, wie ausgebrannte Sterne in einem sterbenden Universum, die darauf warteten, zu Staub zu zerfallen.

 
     
Drittes Buch
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3562 n. Chr.
     
     
DIE RÜCKKEHR

WAS AUCH IMMER SIE ihm nahmen, sie konnten nicht an der Tatsache rühren, daß er ein begnadeter Architekt war. Er hatte genug Monumente erschaffen, die seinen Namen noch lebendig halten würden, wenn die sinnlosen Auseinandersetzungen und Zwistigkeiten längst vergessen waren.
    Streiflichtartig wunderte er sich darüber, daß eine derart triviale Assoziationskette im Simulacrum überhaupt konserviert worden war. Dann glitt er auf einer Spirale des rekursiven Staunens abwärts – daß er sich über das Wunder solcher Trivialitäten Gedanken machen und über das Denken reflektieren konnte.
    Am besten konzentrierte er sich auf die jüngsten Erinnerungen – Danice mit ihrem langen schwarzen Haar, die ihn vor dem Vorgang

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