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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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umarmt und Lebewohl zu einem Mann gesagt hatte, den sie am nächsten Tag wiedersehen würde, nachdem er in den Block geladen worden war; das mußte ihr höchst bizarr vorgekommen sein…
    Schwungvoll materialisierte er mit wirbelnden Armen und ineinander verschränkten Beinen aus dem Block. Seufzend stieß der Block einen Stapel ordentlich zusammengelegter Kleidungsstücke aus, dann verlor er seine Farbe, überzog sich mit einer Kruste und starb.
    Robert Kahn blinzelte. Er lag nackt in einem Haufen aus Schmutz und Trümmern. Zweige und Blätter klebten an seinem feuchten Körper. Ein muffiger und fauliger Geruch stieg ihm in die Nase. Niemand war zu seiner Begrüßung erschienen. Statt des erwarteten Summens der lebenden Stadt Bruderschaft vernahm er nur das hohle Pfeifen des Windes.
    Der große Architekt, der nach zwei Jahrhunderten gekommen war, um seine Werke zu inspizieren und Ratschläge zu erteilen und nötigenfalls auch Revisionen vorzuschlagen, war allein.
    Er erhob sich, entfernte den Schmutz und das Laub vom Körper und betrachtete dann die neben ihm liegende Kleidung. Er hätte eigentlich bekleidet erscheinen sollen. Statt dessen hatte der Block, als ob er sein Bestes geben wollte, die Sachen separat ausgestoßen. Sein Blick verschwamm, und er rieb sich die Augen. Er fühlte sich etwas schwach. Das hätte nicht der Fall sein dürfen. Der Block hätte ihn eigentlich frisch und kräftig entlassen sollen.
    Noch verspürte er keine Furcht. Er fühlte sich nur benommen, als ob er aus einem Drogenrausch erwacht wäre. Aber die Angst lauerte nicht allzu weit entfernt. Wie die Flügel eines gerade geschlüpften Schmetterlings expandierten seine Emotionen und stabilisierten sich.
    Der Block – Eckstein des großen Thomas-von-Aquin-Torbogens – war verwittert. Es war ein Wunder, daß er ihn überhaupt hatte materialisieren lassen können. Die ihn umgebenden Mauern waren grau und rissig und wirkten ausgetrocknet. Die Röhren, welche sich gitterförmig durch den in das allgegenwärtige Blumendekor integrierten Torbogen zogen, führten keine Flüssigkeit.
    Hinter dem Thomas-von-Aquin-Tor befand sich ein ausgedehnter Platz, der mit Erdhügeln bedeckt und mit Löchern übersät war, als ob man hier nach verborgenen Schätzen gegraben hätte. Verkohlte Mauern und Aschehaufen wiesen auf Brände hin. Er schaute zur Decke hoch, die sich hinter dem Torbogen über die Stadt legte. Die Gruft existierte noch; breite, an umgedrehte Bienenkörbe erinnernde Säulenschäfte aus Basalt erweiterten sich in hundert Metern Höhe zu einer Kuppel. Aber die ganze Szenerie war eine Studie in Grau, statt des vitalen Grüns und des blauvioletten Himmels.
    Ein großer Teil der Stadt – wenn nicht gar alles – war tot. Soweit er die Strecke zum einen Kilometer entfernten Haupt-Abwärmeschacht überblicken konnte, hatten die Wände und Stützpfeiler und Röhren ihren Glanz verloren.
    Er betrat den Platz, wobei er den Gruben auswich, und gelangte schließlich zu einem weiten Platz mit großen Silikatbrocken. Die Sonne strahlte heller, als er sie in Erinnerung hatte – heller und heißer. Im Umkreis der Stadt gab es nichts außer einer Ebene mit vertrocknetem Gras, vereinzelten kümmerlichen Bäumen und einem staubigen Feldweg.
    Mit zusammengekniffenen Augen inspizierte er die Türme der Stadt. Ihre Konturen hatten sich verändert. Es handelte sich offensichtlich um die Stadt Bruderschaft, und aus dieser Richtung konnte er auch – mit etlicher Schwierigkeit – das stilisierte Porträt des Heiligen Thomas von Aquin am Zentralturm ausmachen, aber…
    Die Konturen waren erodiert, wie bei einer Sandburg im Regen. Auf ganzer Höhe der Stadt konkurrierten Brandmale und Anzeichen von Verfall und Vandalismus mit kollabierten Stützpfeilern um den ersten Platz in diesem Spiel der Zerstörung.
    Die Stadt war tot.
    Er war noch immer nackt. Er mußte zurück, um sich die Kleidung zu holen – und die Daten zu bergen. Seine Arbeit an den einhundertdreiundfünfzig Städten auf Gott-der- Schlachtenlenker war zuweilen so frustrierend und schwierig gewesen, daß er beschlossen hatte, ein geheimes Netz von Stadt-Überwachungsgeräten zu installieren, für den Fall, daß eine Panne auftrat und er dafür verantwortlich gemacht wurde. Aber damit hätte er nie gerechnet…
    Wie lange war es schon her? Über zwei Jahrhunderte – vielleicht noch viel länger. Er wich in den Schatten zurück und betrat erneut den Leichnam von Bruderschaft.
    Arthur Sam Daniel war

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