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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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lange es her ist, seit ihr die Städte bewohnt habt.«
    »Ich habe nicht immer hier gelebt. Seit fünfzig Generationen lebt niemand mehr hier. Es sind jetzt fast elf Jahrhunderte vergangen.«
    »Welches Datum haben wir – nach dem Gregorianischen Kalender?«
    »Der gilt heute nicht mehr. Ich weiß es nicht.«
    »Sternzeit?«
    »Das weiß ich auch nicht.«
    Kahn ignorierte den Schmutz an dem Becher und nahm einen Schluck kühlen Wassers. Diese Geste entsprang mehr der Nervosität als allem anderen – ein wenig Wasser war alles, was das Simulacrum zum Existieren benötigte.
    »Die Pumpen im Haus funktionieren nicht, so daß wir das Wasser von der Quelle holen müssen«, erklärte Arthur und tippte mit den knochigen Fingern auf die hölzerne Tischplatte.
    »Das Wasser ist gut«, lobte Kahn. Elfhundert Jahre!
    »Es ist heiß heute, keine Frage.« Nan wischte sich den Schweiß von der Stirn und füllte die Becher nach.
     
    Jeshua Tubal Iben Doad legte Thinners Kopf im Schatten eines verdorrten Mulcet-Baumes ab. »Pflanze mich hier irgendwo ein, und ich werde die Stelle dieses armen Busches einnehmen«, sagte der Kopf und schnitt eine Grimasse. »Ein Kopffrucht-Baum.«
    Jeshua hatte Thinner nun schon seit drei Wochen transportiert und dabei eine Strecke von wenigstens achthundert Kilometern zurückgelegt. Der Kopf war quasi zu seinem Weggefährten geworden. »Deine Witze waren auch schon mal besser«, meinte Jeshua und setzte sich mit dem Rücken an einen Felsen.
    »Das macht die Hitze.«
    Jeshua streckte sich im Gras aus und rieb den Rücken auf dem Boden. Seine Kleidung war mit Schmutz- und Grasflecken übersät, aber der Dreck stammte nicht von ihm. Seit über einem Jahrhundert hatte er es verstanden, die künstlichen Transpirations- und Exkretions-Systeme seines Körpers zu blockieren, wodurch er sauberer war als ein authentischer Mensch oder eine Maschine. Sich an den nichtmenschlichen Zustand zu gewöhnen, hatte ihn allerdings einige Zeit gekostet.
    »Komm schon«, drängte Thinner. »Du brauchst jetzt nicht eingeschnappt zu sein. Was sollten wir denn jetzt auch überhaupt in der Stadt tun…«
    »Ich bin nicht eingeschnappt«, entgegnete Jeshua düster. »Und wenn wir in Mandala wären, würde ich die Kaballah studieren, meditieren und alles reparieren, was noch reparabel ist.«
    »Was in den letzten Jahren nicht allzu viel war. Ich wundere mich eh, daß sie so lange überlebt hat.«
    »Wir haben es jedenfalls versucht«, erwiderte Jeshua. Sie hatten diese Unterhaltung mindestens schon zwei Dutzend mal geführt. Der Vorgang erinnerte an eine Schachpartie, wobei jeder Spieler die ersten vier oder fünf Züge seines Gegners so genau kannte, daß das eigentliche Spiel gleich aus dieser Position hätte beginnen können. Für Jeshua und Thinner bestand das eigentliche Spiel nun darin, ihre Reiseroute und die Aktivitäten am Zielort festzulegen.
    »Wir haben alles versucht, was in unserer Macht stand. Es war eine verlorene Sache«, resümierte Thinner.
    »Meine Studien hatten aber etwas anderes gesagt.«
    Der Kopf gab ein Geräusch von sich, das einem Seufzer ähnelte. »Der Krug des Einen Heiligen, Gesegnet Sei Er, ist zerbrochen und hat seine Tropfen edlen Öls über das Land verteilt… einen Teil in Mandala, die anderen in den übrigen Städten, und nun müssen die Teile sich wieder zusammenfügen.«
    »Das kommt mir bekannt vor«, sagte Jeshua und lächelte.
    »Das ist ungefähr das einzige, woran ich mich noch erinnern kann.«
    »Ich fühle es in meinem Innern«, sagte Jeshua und ließ den Blick über die in der flirrenden Hitze brütende graubraune Savanne schweifen. »Du etwa nicht?«
    »Manche Worte haben einen vertrauten Klang«, sagte Thinner. »Aber der Regen läßt sich nicht herbeizaubern.« Der Kopf kippte um. »Stell mich wieder auf«, verlangte er stoisch. »Ich finde es lächerlich, daß zwei Stadt-Teile herumsitzen und über menschliche Religionen diskutieren.«
    »Wir müssen dorthin gehen, wohin wir gehen müssen.«
    »Ich würde Wiederauferstehung vorziehen.«
    »Wenn wir nach Wiederauferstehung gehen, werden wir dort genauso wenig ausrichten können. Alle Städte sind tot oder liegen im Sterben.«
    »Wiederauferstehung nicht, noch nicht«, korrigierte Thinner. »Das ist mein Glaube.«
    »Die Zusammenkunft wird am Bifrost stattfinden. Wenn wir zuerst dort sind, verschwenden wir keine Zeit und können unser Glück versuchen.«
    »Wir wissen doch nicht einmal, was das Bifrost ist. Oder wo genau es

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