Die Macht der Steine
Haarkranz seitlich um den Schädel zog. Er trug einen ähnlichen Overall wie Nan.
»Das macht auch nichts, denn außer uns lebt hier ohnehin niemand mehr«, sagte er.
»Ich verstehe«, meinte Kahn, und Arthur verstand ihn auch. Der Akzent war zwar etwas fremdartig, aber zumindest konnten sie sich verständigen. Arthur lächelte.
»Sie sind lange fort gewesen?«
»Ich bin im Grunde überhaupt noch nicht zurück«, sagte Kahn. »Entschuldigung. Ich bin sicher nicht gekommen, um in Rätseln zu sprechen. Übrigens, verstehen Sie mich?«
»Ja, im Gegensatz zu vorhin ganz gut.«
Nan mißfiel offensichtlich die Anwesenheit des Fremden in ihrem Haus. Sie trat in den Hintergrund und verschränkte die Hände auf dem Bauch.
»Ich habe ein Talent für Sprachen. Sie sprechen eine Art Englisch, mit futuristischen Merkmalen. Ich habe eine Maschine in meinem Kopf, die es mir ermöglicht, schnell zu extrapolieren, zu speichern und zu rechnen.« Wenigstens gab es etwas im Simulacrum, das die Originalmaschine emulierte, die er sich vor Jahrzehnten hatte implantieren lassen. Streng genommen war er jetzt auch eine Maschine.
»In Ihrem Kopf?« fragte Nan. »Wie das? Kommen Sie vielleicht von den Poleis?«
Der Fremde antwortete nicht. Der Ton der Frau war dezidiert unfreundlich. »Was ist hier geschehen?« fragte er und streckte die Arme aus.
»Staubstürme haben in den beiden letzten Jahren die Ernten vernichtet«, antwortete Arthur. »Meine Frau ist mit meiner anderen Tochter fortgegangen, um bei den Gründern von Kanaan Arbeit zu suchen, und sie ist nicht zurückgekommen.«
»Nein, ich meine, warum lebt ihr nicht in den Städten – den Poleis?«
Mit dieser Frage hatte Arthur nicht gerechnet. Dann unterzog er die Kleidung des Fremden einer eingehenderen Betrachtung und erkannte, daß sie wirklich einzigartig war. »Vielleicht sollten Sie uns zunächst einmal sagen, woher Sie kommen. Dann werde ich Ihnen auch erzählen, was ich weiß. Wer sind Sie also?«
»Mein Name ist Kahn«, stellte der Fremde sich vor. »Robert Kahn.«
»Das ist ein merkwürdiger Name – nicht in dem Sinne, daß es einen solchen Namen nicht geben könnte«, erwiderte Arthur, »sondern eher deshalb, weil dieser Name nicht besonders populär ist.«
»Warum?«
Arthur und Nan warfen sich einen kurzen Blick zu. »Hol uns etwas Wasser«, sagte er zu ihr. »Das ist der Name des Mannes, der die Städte erbaut hat. Sie sind doch sonst so gescheit. Sie müßten schon von ihm gehört haben.«
»Ich habe die Städte errichtet«, bestätigte der Fremde.
Arthur lächelte milde. Jetzt hatte er den Burschen entlarvt. Er war schon einmal einem solchen Kerl begegnet, als er vor vierundzwanzig Jahren zum Wehrdienst eingezogen worden war – der Kamerad hatte versucht, sich vom Wehrdienst zu drücken, indem er einen Verrückten markierte. »Erzähl das bloß nicht den Gründern von Kanaan. Sie haben nämlich noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen.« Er lachte in sich hinein. »Dir haben wir es nämlich zu verdanken, daß wir uns schon so lange in dieser mißlichen Lage befinden. Du solltest aufpassen, was du sagst. Wir haben jedoch nichts gegen dich – wir sind tolerant.«
»Ich nehme an, daß etwas schiefgelaufen ist.«
»Du spielst mir doch keine Komödie vor, oder?«
»Überhaupt nicht«, erwiderte der Fremde mit völlig ernstem Gesichtsausdruck. »Ich bin hier, um meine Werke zu inspizieren und die Dinge zu richten. Scheint so, als ob gravierende Mängel aufgetreten seien, und ich wollte eigentlich auch schon viel früher zurückkommen. Lebt denn noch jemand in den Städten – den Poleis?«
Arthur antwortete nicht. Er bot dem Fremden einen Stuhl an und rief Nan hinterher, daß sie sich mit dem Wasser beeilen solle. Sie betrat den Raum mit einem vollen Eimer in der einen und zwei schmutzigen Zinnbechern in der anderen Hand.
»Wieviel Zeit ist denn vergangen?« fragte der Fremde.
»Hältst du mich denn für so doof, daß ich nicht einmal weiß, welches Jahr wir schreiben?« fauchte Arthur mit aufkommendem Zorn. »Ich bin kein Narr, und du bist kein Gespenst, und du kannst damit aufhören, mir auf diese Art zu kommen!«
»Vater ist ein sehr intelligenter Mann«, sagte Nan ruhig, stellte den Eimer auf den Tisch und verteilte die Becher. »Wir haben schwere Zeiten hinter uns. Wir sind zwar keine feinen Leute, aber wir sind auch keine Primitiven.«
»Ich will Sie überhaupt nicht verspotten oder mit Herablassung behandeln, Sir. Ich weiß wirklich nicht, wie
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