Die Macht der verlorenen Zeit: Roman
Rebecca wollte mehr als nur sein Bett. Sie wollte seine Frau sein, wollte von ihm geliebt werden. War eine Ehe mit ihr wirklich ganz unmöglich? Nein, antwortete er ohne Zögern. Es wäre sogar äußerst reizvoll, sie Nacht für Nacht zu lieben und dieses Recht für sich in Anspruch zu nehmen. In den achtzehn Tagen seit ihrer hemmungslosen Vereinigung hatte er an kaum etwas anderes gedacht. Nie zuvor hatte ihn eine Frau so gefesselt, hatte so hemmungslos von ihm Besitz ergriffen. Nicht einmal Charmaine. Selbst wenn sie ihn zurückwies, wollte er sie wenigstens ansehen. Er bewunderte ihren Eigensinn und brannte darauf, sie zu zähmen. Aber noch mehr sehnte er sich danach, sie einfach nur im Arm zu halten, zu trösten und sie glücklich zu machen.
Gleich morgen wollte er sie aufsuchen … nur um sie anzusehen und sich von ihr bezaubern lassen. Endlich war er bereit, ins Bett zu gehen, und nach einer Weile konnte er sogar schlafen.
Teuflische Träume suchten ihn heim, Bilder von Rebecca, die in Panik durch einen finsteren Wald rannte, verfolgt von unheimlichen Gestalten und Hunden, die bellten und nach ihr schnappten. Sie weinte und schluchzte, sie schrie nach ihm, und sein Herz raste. Von kaltem Schweiß bedeckt, schreckte er hoch und sprang aus dem Bett.
Der Wunsch, sie zu sehen, war übermächtig. Er vermisste sie. Er musste wissen, ob es ihr gut ging. Kaum zehn Minuten später war er angekleidet und sattelte Alabaster. Er dankte den Göttern für einen wolkenlosen Himmel und das Mondlicht. Es war fast ein Uhr, als er vor dem Cottage der Remmens vom Pferd sprang. Aus dem Küchenfenster drang Lichtschein nach draußen. Irgendjemand war noch wach. Er band Alabaster an den Zaun und klopfte an die Tür.
Wade war betrunken und starrte ihn finster an. »Was, zum Teufel, wollen Sie hier?«
»Darf ich eintreten?«
»Nein. Dürfen Sie nicht«, sagte er undeutlich.
»Ich möchte Rebecca besuchen.«
Wades Lachanfall endete in einem Schluckauf. »Das glaube ich gern«, zischte er sarkastisch angesichts solcher Frechheit. »Rebecca ist meine Schwester! Wenn Sie glauben, dass ich ruhig zusehe, wie Sie Ihre Lust an ihr befriedigen, so haben Sie sich geirrt. Versuchen Sie nur, das Haus zu betreten oder sie anzurühren … und ich schwöre, ich breche Ihnen das Genick!«
»Sie sind ja betrunken«, stellte Paul fest. Er war ein wenig mutlos, da Rebecca ihrem Bruder offenbar von ihnen erzählt hatte.
»Da haben Sie ausnahmsweise recht. Ich bin betrunken!«, schrie Wade. »Was glauben Sie, wie ich mich gefühlt habe, als meine Schwester im elegantesten Kleid, das man sich denken kann, vom Schiff herunterkam? Was, glauben Sie, denkt jetzt alle Welt? Meine Schwester ist vor drei Wochen verschwunden, und jetzt ist sie plötzlich wieder da? Für jedermann ist sie jetzt eine Hure. Ihre Hure! «
Pauls Blut kochte, aber er wusste, dass Wade recht hatte. Zahllose Menschen hatten sie beobachtet, und alle hatten natürlich dasselbe gedacht. Und dazu das Kleid! Dabei hatte er Rebecca nur glücklich machen wollen. Erst jetzt wurde ihm schmerzlich bewusst, wie er ohne Absicht für jeden sichtbar demonstriert hatte, dass Rebecca ihm gehörte, dass das Kleid Ausdruck seiner Begierde war. Er hatte Rebecca und damit auch Wade der öffentlichen Meinung preisgegeben. Wie würde er selbst reagieren, wenn es um Yvette oder Jeannette ginge? Ich würde dem Bastard den Hals umdrehen!
»Ich muss Rebecca aber sprechen«, wiederholte er bedrückt.
»Ich habe gesagt, Sie sollen sich zum Teufel scheren!«
Doch Pauls Entschluss stand fest. Er drängte Wade zur Seite und betrat das Cottage.
Ohne Vorwarnung stürzte sich Wade auf ihn, und bevor Paul wusste, was ihn getroffen hatte, lagen sie beide auf dem Boden. Nachdem der erste Schreck vorüber war, packte er Wade am Hemd, rollte ihn herum und drückte ihn zu Boden. »Jetzt hören Sie mir einmal zu«, herrschte er ihn an. »Ich werde mit Ihrer Schwester sprechen! Was immer Sie von ihr glauben, Sie irren sich, und ich will nichts mehr davon hören! Ich liebe Ihre Schwester, und ich werde sie heiraten. Nur deshalb bin ich hier!«
Paul stand auf und streckte Wade die Hand entgegen. Wades Wut war einer großen Verwirrung gewichen. »Heiraten …?«, murmelte er, ohne sich zu rühren. »Aber das können Sie doch nicht. Ich meine, Sie …«
Hier endete seine Erwiderung, da er mit seiner Trunkenheit zu kämpfen hatte. Er ergriff Pauls Hand und zog sich hoch. »Ich hole Rebecca«, sagte er, plötzlich
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