Die Macht der verlorenen Zeit: Roman
Ereignis, zu dem nur höher gestellte Persönlichkeiten Zutritt haben. Dein Erscheinen wäre für Mr Duvoisin und auch für mich äußerst peinlich. Ich gestatte dir die Teilnahme unter keinen Umständen.«
Freitag, 9. März 1838
Anne war noch keine zwei Wochen auf der Insel, als Paul ihrer bereits überdrüssig war. Doch um ihrem Vater gefällig zu sein und im Wissen um die einflussreichen Persönlichkeiten, die Anne in Virginia kannte, führte er sie als höflicher Gastgeber geduldig auf der Insel herum. Und wenn sie sich nachmittags mit Agatha traf, um das Neueste durchzusprechen und weitere Pläne zu schmieden, atmete er erleichtert auf. Schließlich trafen in vierzehn Tagen bereits die ersten Gäste ein.
Heute war Paul mit seinem Vater verabredet, um alles aufzuarbeiten, was während der Arbeit auf Espoir und dem Ausbau des neuen Hafens rechtzeitig zum großen Fest hatte zurückstehen müssen.
Frederic rieb sich die Stirn. »Ich hoffe nur, dass unser Kapital ausreicht. Vielleicht sollten wir besser noch einige Vermögenswerte auflösen.«
»Genau das habe ich auch schon überlegt«, sagte Paul. »Ich werde das nachher mit Stephen besprechen.«
Frederic war überrascht. »Bist du mit ihm verabredet?«
Paul seufzte. »Anne zuliebe hat Agatha ihn zum Dinner eingeladen.«
Frederic lehnte sich zurück und sah seinen Sohn eine ganze Weile nachdenklich an. »Was dein Verhältnis zu Mrs London angeht«, begann er schließlich vorsichtig. »Interessiert sie dich eigentlich?«
Paul schüttelte den Kopf. »Was das angeht, so gibt es kein Verhältnis, Vater, aber ich will Anne gegenüber höflich sein, solange sie hier auf Charmantes ist. Sie kennt außerdem viele unserer Gäste persönlich und hat durch ihren verstorbenen Mann noch wichtige Verbindungen.«
»Ich verstehe.« Frederic seufzte verhalten. »Und was ist mit Charmaine Ryan?«
Paul war verwirrt. »Mit Charmaine?«
»Während der letzten Monate hast du viel Zeit mit ihr verbracht. Ich habe schließlich Augen im Kopf. Und ich habe deine Blicke wohl bemerkt.«
Paul schwieg verlegen. Er hatte mit seinem Vater noch nie über Frauen gesprochen.
»Du könntest dir fürwahr eine schlechtere Frau aussuchen«, bemerkte Frederic.
»Was sagst du da, Vater?« Paul war wie vor den Kopf geschlagen.
»Du könntest dir fürwahr eine schlechtere Frau erwählen«, wiederholte Frederic. »Schließlich musst du ja nicht aufs Geld sehen. Warum also nicht eine Frau heiraten, die dich glücklich macht? Ich mag mich irren, aber ich behaupte, dass du mit Charmaine glücklicher würdest als mit Mrs London.«
Paul grinste über das ganze Gesicht. »Das lässt sich doch überhaupt nicht vergleichen, Vater.«
»Genau das meine ich.« Frederic nickte zufrieden und wandte sich wieder seinen Papieren zu. Er war erleichtert, dass er den Augenblick genutzt und seine Gedanken ausgesprochen hatte.
Es erfreute Paul, wie viele Gedanken sich sein Vater um ihn machte … und sich sorgte, dass ihm der Wert des Geldes bei der Wahl einer Ehefrau im Weg stehen könne.
In derselben Sekunde fiel ihm das Bankett und der Ball ein. Genau. Bisher hatte er noch keine Begleiterin eingeladen. Er träumte davon, Charmaine an seiner Seite zu haben. Bestimmt würde sie sich geschmeichelt fühlen, denn welche Gouvernante durfte schon auf eine solche Einladung hoffen?
Seine Gedanken eilten voraus. Er hielt Charmaine in den Armen und tanzte den ersten Walzer mit ihr. Sie lächelte ihm zu und errötete wie damals, bevor John zurückgekommen war und alles verdorben hatte. Er freute sich schon jetzt auf den magischen Abend, an dem alles geschehen konnte.
Charmaine Duvoisin … ja … der Klang gefiel ihm.
Sonntag, 11. März 1838
Seit Anne Londons Ankunft brachte Charmaine die Mädchen wie immer unmittelbar nach dem Dinner nach oben. »Ich will aber noch nicht ins Bett«, jammerte Yvette, doch Charmaine sah sie nur mahnend an.
Eine Stunde später kam Paul nach oben, um Gute Nacht zu sagen. Charmaine las den Mädchen gerade vor. Als er sie um ein Gespräch unter vier Augen bat, stöhnten seine Schwestern vernehmlich.
»Wie wäre es, wenn ihr für ein paar Minuten nach unten geht?«, fragte Paul. »Fatima hat gerade köstliche Süßigkeiten serviert.«
Charmaine war einverstanden und seufzte. »Aber nur unter der Bedingung, dass Sie mir die Kinder wieder zurückbringen«, bat sie. Allein würde sie die Mädchen nie wieder loseisen können.
»Ich muss Sie etwas Wichtiges fragen«, sagte Paul, als die
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