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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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angefreundet. Du ärgerst dich doch wohl nicht, dass ich sie eingeladen …« Plötzlich lachte er los. »Oh, jetzt verstehe ich! Du bist eifersüchtig.«
    George errötete. »Lass sie einfach in Ruhe.«
    »Dabei ist sie nicht einmal eine Schönheit, George«, neckte Paul den Freund. »Bestenfalls ist sie hübsch.«
    »Zum Teufel, lass es einfach!«
    Paul lachte leise vor sich hin. »Wenn Mercedes eine Schönheit wäre, wäre sie ganz sicher nicht Lady Annes Zofe. Die sorgt doch nicht selbst für Konkurrenz. Was meinst du? Dazu ist sie viel zu eitel.«
    George machte ein verkniffenes Gesicht und murmelte leise vor sich hin.
    »Keine Sorge, George. Miss Wells interessiert mich nicht. Die überlasse ich dir gern.«
    Aber Miss Wells war schön. In Georges Augen war sie die schönste Frau im Raum. Wild entschlossen stand er auf und ging zu ihr hinüber.
    Überrascht hob Mercedes den Kopf.
    »Miss Wells, darf ich Sie zu einem kleinen Spaziergang im Garten einladen?«, hörte er sich sagen. Ein leise geflüstertes »Ja«, und er war außer sich vor Freude.
    In den nächsten Tagen bekam Charmaine Paul kaum zu Gesicht. Er hatte mit den Vorbereitungen alle Hände voll zu tun, und in seinen wenigen freien Stunden wich ihm Anne London nicht von der Seite. Inzwischen bestimmte sie über seine Samstage.
    Anne und Agatha verstanden sich bestens und verbrachten sehr viel Zeit in Agathas Salon, sobald Paul nicht zu Hause war. Angefangen mit dem Ordnen der Zusagen über die Planung des Blumenschmucks, der Tischordnungen und der Menüs bis hin zum Engagement der Musiker und der Verteilung der Gästezimmer lag alles in Agathas Händen, und Anne war ihr in allen Belangen eine unschätzbare Hilfe.
    Inzwischen wurde die Freundschaft zwischen Charmaine und Mercedes von Tag zu Tag enger. Mercedes war eine empfindsame Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden stand und ihre Mitmenschen und deren Absichten klug durchschaute. Als Zofe musste sie ihrer Herrin immer und überall zu Diensten sein. Früh morgens stand sie auf, legte die Kleidung für den Tag zurecht und bestellte schon das Frühstück, bevor die Witwe überhaupt die Augen öffnete. Von dem Moment an, in dem Mrs London ihr Bett verließ, hatte ihre Zofe bis weit in den Nachmittag hinein keine ruhige Minute mehr. Sie schleppte Speisen und Getränke auf dem Tablett nach oben, und sie half ihrer Herrin bei der Morgentoilette und der Frisur, was manchmal Stunden in Anspruch nahm. Anschließend folgten noch die Besorgungen: Briefe mussten aufgegeben und Kleinigkeiten aus dem Laden herbeigeschafft werden, oder Mrs London verlangte in herablassendem Ton nach Getränken oder einem Buch aus der Bibliothek. Beim kleinsten Missgeschick oder Versehen drohte sie Mercedes sofort mit Entlassung.
    Mercedes verachtete Mrs London, doch sie war auf die gut bezahlte Arbeit angewiesen. Ihre Mutter war vor einigen Jahren nach langer Krankheit gestorben, und ihr Vater arbeitete als Stallmeister auf einem großen Besitz in Virginia. Außerdem hatte sie noch einen älteren Bruder mit Frau und Kindern, der ebenfalls Stallmeister war. Irgendwann war es ihrer Meinung nach an der Zeit, sich auf eigene Füße zu stellen und selbst für ihr Auskommen zu sorgen. Da sie mit Pferden aufgewachsen war, war sie eine ausgezeichnete Reiterin.
    Als Yvette ihrem Vater davon erzählte, gab Frederic der jungen Frau freie Hand, Colettes Chastity regelmäßig zu bewegen. Sobald Anne und Agatha am Nachmittag zusammensaßen und Pläne schmiedeten, ritten Mercedes, Charmaine und die Zwillinge häufig aus und verbrachten wunderbare Stunden mit der Erkundung der Insel.
    Wann immer George es einrichten konnte, aß er im Herrenhaus zu Mittag, und nach der Arbeit kehrte er ohne den üblichen Umweg über Dulcie’s Bar auf direktem Weg nach Hause zurück. Hin und wieder gelang es ihm sogar, Mercedes nach dem Dinner zu einem kleinen Spaziergang zu überreden. Es ärgerte ihn, wie Mrs London ihre Zofe behandelte. Doch aus Angst vor einer drohenden Entlassung hielt er lieber den Mund, so gern er ihr auch beigestanden hätte.
    Einige Wochen vor dem großen Fest lud er die junge Frau zum Bankett und dem anschließenden Ball ein. Mercedes nahm die Einladung begeistert an, aber schon am nächsten Tag musste sie George gestehen, dass Mrs London ihr die Teilnahme verboten hatte.
    »Dienstboten haben dort nichts verloren«, hatte Anne London zynisch erklärt. »Das Fest ist ein geschäftliches Treffen und zugleich ein gesellschaftliches

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