Die Macht des Amuletts
irgendein Geschöpf an ihre Stelle setzen?
Sie wusste, dass sie das konnten. Schon lange hatte sie gewusst, dass sie alles Mögliche tun konnten, und es war dumm von ihr gewesen, Alex nicht von Anfang an zu glauben.
Wenn sie nur eine Tür finden könnte! Sie schaute wieder auf die Uhr, stellte fest, dass es fast Mitternacht war, und strich sich müde und verzagt die schmutzigen Haare aus den Augen. Morgen war das Erntefest. Morgen würden sie ihn mitnehmen. Sie musste hier raus! Sie richtete sich auf, streckte sich und schaute sich noch einmal um. Es musste irgendein Gitter geben, durch das sie rufen konnte, ein Fenster, mit Brettern vernagelt, das ihr entgangen war.
Sie stand auf und stieg die Treppe hinunter. Auf der untersten Stufe erlosch plötzlich die Taschenlampe.
Als Calum McBride mit betäubten Ohren aus dem Konzertzelt kam, wartete seine Frau auf ihn. »War Katie bei dir?«, fragte sie besorgt.
»Nein. Aber sie war vielleicht mit ein paar von den anderen drin. Warum?«»Ich habe sie den ganzen Abend nicht gesehen.« Jean kratzte sich nachdenklich die Wange. »Sie hat mir gesagt, sie ginge zu Mick.«
»Dann weißt du ja Bescheid. Sie ist im Herrenhaus.« »Nein, bin ich nicht. Ich bin hier.«
Überrascht drehten sie sich um. Katie grinste sie an, ihr Haar war ein oranges Gewirr. »Ich habe euch erschreckt, stimmt's?«
Ihr Vater sah sie missbilligend an. »In diesem Jahr sind hier viele Fremde. Du weißt, dass du vorsichtig sein solltest.« Sie zuckte die Achseln und wandte sich ab. »Ich weiß. Reg dich nicht auf. «
Martin Frobisher kam dazu und sie gingen zusammen über das Feld zum Campingplatz. »Morgen ist der große Tag«, murmelte Calum. »Wenn alles gut geht.«
»Warum sollte es nicht? Michael Carter ist ein guter Organisator. «
»Das meine ich nicht.« Martins Stimme war dunkel und ernst. »Etwas braut sich zusammen. Du spürst es auch, also streite es nicht ab.«
»Ich bin nur ein Schmied.« Calum lächelte unbehaglich. »Ihr Musiker, ihr seid die Sensiblen.«
Seine Frau schüttelte den Kopf. »Er hat Recht. Zu viel geht schief. Die Leute haben Angst.«
Martin duckte sich unter die niedrigen Äste der Bäume. »Kein Wunder«, murmelte er. »Schaut euch an, wie wir leben – am Rand, außerhalb des Mainstreams, zwischen alten Geschichten und Liedern, an denen wir festhalten, die wir nicht sterben lassen. Folklore. Überreste vergessener Riten wie das Ritual. So viele alte, halb verstandene Formen von Glauben und Aberglauben. Ist es ein Wunder, dass sie aufstehen und uns heimsuchen? Und was ist Musik anderes als eine Art Magie?«
Etwas raschelte im Wald. Er blieb stehen und drehte sich abrupt um. »Wer ist das?«
In dem Gewirr aus Dornensträuchern und Haselnuss regte sich nichts, Mondlicht leuchtete zwischen den Baumstämmen. Eine Eule rief hoch über den Kornfeldern. »Komm schon«, knurrte Martin. »Komm heraus.« Sekundenlang glaubten sie, niemand käme, dass sie sich getäuscht hätten. Dann sahen sie zu Martins finsterer Genugtuung einen Mann unter dem nächsten Baum stehen, einen mageren Mann im dunklen Mantel, und als er sich bewegte, schimmerte sein Haar hell im Mondlicht. »Tut mir Leid«, sagte er leise. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
Mrs McBride merkte, dass Katie neben ihr schauderte, wohl vor Überraschung.
Martin nahm den Hut ab und kratzte sich die Stirn. »Na so was. Gut, dich wieder hier zu sehen, Alex.« Der Harfenist nickte gedankenverloren. Sie fanden, dass er blasser war als zuvor, nervös und gereizt. »Ich würde gern mit Katie sprechen«, murmelte er.
Calum schaute seine Frau an, sie zuckte die Achseln. »Komm nicht so spät.« Sie setzten ihren Weg zu den Wohnwagen fort, Martin ging mit ihnen und rief gute Nacht. »Nun.« Katie verschränkte die Arme. »Das ist eine Überraschung.«
Er trat dicht an sie heran, sein Gesicht war finster, die Augen dunkel in dem unheimlichen Licht. »Wo ist sie?«, fragte er zornig. »Sie?«»Katie. Was habt ihr mit ihr gemacht?« Das Mädchen kicherte. »Du musst wirklich wieder in dieses Krankenhaus, Alex.«
Er wollte sie packen, aber er wusste, dass das gefährlich war. »Sie kannst du täuschen, aber mich nicht«, sagte er kalt. »Dafür war ich viel zu lange bei deinen Leuten. Sogar im Dunkeln kann ich Hexerei riechen.« Da zuckte sie kurz zusammen und verwandelte sich vor seinen Augen in ein dünnes, hinterhältiges Geschöpf, langnasig, dünnlippig, grinsend. Dann war sie wieder Katie und ihre Mutter rief sie
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