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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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von der Wohnwagentreppe. »Ich komme!« Der Wechselbalg drehte sich um und grinste Alex boshaft an. »Geh und sag es ihnen, Harfenspieler. Geh und erkläre alles. Zu gern würde ich das hören.« »Wo ist sie?«, flüsterte er und wusste doch, dass es hoffnungslos war.
    »Wenn die Königin dich sieht, wird sie dir die Seele ausreißen.«
    »Das weiß ich. Sag mir, wo Katie ist.« Das Geschöpf lachte ihn aus, zerzauste sich das orange Haar mit einem Finger und schob das Gesicht nahe an sein Ohr. »Im Untergrund«, flüsterte es schadenfroh. »In der Hölle.«
     
    NEUNZEHN
     
    Und ach, sie saß, und ach, sie tanzte, wünschte sich Geselligkeit.
    Ü BERLIEFERT
     
    Wenn die Armbanduhr stehen blieb, würde sie allein sein. Die Uhr war eine Art Freund geworden, die kleinen grünen Zeiger waren der einzige Trost in der Dunkelheit. Immer hatte Katie gedacht, Dunkelheit sei nur das Fehlen von Licht, aber diese Dunkelheit war etwas Lebendiges, dick und dicht wie schwarzer Samt, der sie erstickte. Sie konnte nicht mehr an Licht glauben. Es würde zu blendend, zu überraschend sein. Vergeblich versuchte sie es sich vorzustellen. Und die Kälte war ein betäubender Schmerz geworden, der ihr so tief in den Knochen steckte, dass er schon immer in ihr gewesen sein musste.
    Als die Taschenlampe ausgegangen war, hatte sie sich zu sehr geängstigt, um die Stufen zu verlassen. Wie konnte sie je zurückfinden, wenn sie in die unsichtbaren Hallen hinaustappte und sich zwischen Säulen und Fässern einen Weg suchte? Sie hatte Stunden gebraucht, bis ihr das Seil eingefallen war, und hatte eine Ewigkeit blind herumgetastet, ehe sie es wiederfand. Als sie es sich um die Taille band, wusste sie, dass sich Blinde so fühlen mussten. Dann war sie losgezogen, durch die großen dumpfen Räume getappt, ins Nirgendwo geschlurft und jede Sekunde hatte sie den hemmenden Ruck erwartet, hatte gefürchtet, das Seil wäre zu Ende oder hätte sich hoffnungslos zwischen den Säulen verfangen, hätte sich vom Fass losgerissen und sie würde es hinter sich herziehen.
    Schließlich blieb sie stehen. Sie hatte nicht die Kraft, sich zurückzutasten. Noch nicht.
    Fröstelnd und ängstlich setzte sie sich. Manchmal rief sie, manchmal schlief sie sogar, doch immer wenn sie unglücklich und mit Schmerzen aufwachte, war ihr so kalt, dass sie sich die Arme reiben und hin und her hinken musste, um sich wieder lebendig zu fühlen. Die Zeit kroch dahin. Manchmal schaute sie auf die grünen Zeiger und sie hatten sich kaum bewegt. Ihr Herz schien vor Schreck auszusetzen und sie riss die Uhr ans Ohr. Das leise Ticken beruhigte sie wie eine Stimme.
    Zwischen Schlaf und Kummer kroch der Kellergeruch in ihre Traumfetzen; ein Geruch nach Erde, Würmern und Verfall. Sie versuchte an Mick zu denken, zu überlegen, wie sie ihn überzeugen könnte, aber was half das schon? Es war ihm gleichgültig. Wenn Rowan ihn bat mitzukommen, würde er es tun. Die Musik war, was er wollte. Nie hatte sie erkannt, was Musik für ihn bedeutete, sagte sie sich, während sie sich mit einer sandigen Hand die Stirn rieb. Niemand hatte es erkannt. Vor allem nicht sein Vater. Und jetzt war es zu spät, denn bald würde Lammas sein, das Erntefest, und sie war hier gefangen und niemand, niemand auf der Welt wusste es.
     
    Vielleicht war sie wieder eingeschlafen. Denn als sie die Augen öffnete, hatte sich etwas verändert. Sie setzte sich auf. Was war es? Ein Geräusch? Sie rappelte sich auf und schrie: »Mick! Sandy! Um Gottes willen, jemand soll mich rauslassen!«, schlug mit flachen Händen auf eine Säule und brüllte mit plötzlicher aufgestauter Wut.
    Als es vorbei war, drehte sie sich um und glitt an der Säule herunter. Die Stille kam zurück, langsam kroch sie rundum aus Löchern und Schatten. Katies Augen waren nass, aber sie fluchte heftig auf sich selbst, biss auf einen Daumennagel und saugte an einem kleinen Schnitt unter ihrem Knöchel. Dann erstarrte sie und atmete kaum.
    Das war es. Sie konnte sehen! Sie sah ihre Hand und das Seil und einen Schatten, der eine Wand sein musste. Die Armbanduhr zeigte sechs Uhr.
    Irgendwo draußen, weit über ihr, war die Sonne aufgegangen. Es war Lammas, der Tag des Erntefests.
     
    Alex wartete durchfroren und steif unter den Bäumen. Die Sonne stieg hinter dem Wald auf und wärmte den blassblauen Himmel mit seinen Wolkenschleiern. Alex spürte, wie die Schatten schrumpften, all die Dunkelheit in den Winkeln seines Gemüts. Beim Erntefest würde es

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