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Die Macht des Geistes

Die Macht des Geistes

Titel: Die Macht des Geistes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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zu erfüllen. Denken Sie nur an Ihr Leben zurück. Welchen Zweck sehen Sie jetzt darin? Was sind die Errungenschaften der Vergangenheit jetzt? Lächerlich!
    Können Sie Werke der Weltliteratur noch mit Vergnügen lesen? Bedeutet Ihnen die Malerei der alten Meister noch etwas? Was halten Sie jetzt von klassischer Musik? Die Zivilisation der Vergangenheit ist für uns so unzulänglich, daß wir sie geradezu vernachlässigen können. Wir besitzen keine Zivilisation mehr. Wir haben keine Ziele, keine Träume, keine kreative Beschäftigung – nichts!«
    »Oh, ich weiß nicht recht«, wandte Mandelbaum mit einem leicht amüsierten Lächeln ein. »Ich habe jedenfalls in den nächsten Jahren reichlich zu tun, wenn ich überall dort mithelfe, wo ich vielleicht einen nützlichen Beitrag leisten kann. Denken Sie nur an den weltweiten Wiederaufbau der Wirtschaft, des politischen Lebens, der ärztlichen Versorgung, der Produktion und der gerechten Verteilung aller Rohstoffe – das allein müßte für den Anfang genügen.«
    »Aber später?« fragte Rossman. »Was tun wir dann? Was tut die nächste Generation? Was tun die folgenden Generationen?«
    »Sie finden bestimmt etwas.«
    »Das bezweifle ich. Die Errichtung einer stabilen Weltordnung ist eine gigantische Aufgabe, aber wir sind uns doch darüber im klaren, daß die neue Menschheit sie bald gelöst haben wird – vermutlich schon innerhalb weniger Jahre. Aber was dann? Wir können bestenfalls zufrieden ausruhen und schließlich völlig stagnieren. Ein schrecklich leeres Leben!«
    »Die Wissenschaft ...«
    »Ja, natürlich, die Wissenschaftler erleben zunächst vielleicht ihren großen Tag. Aber die meisten Physiker, mit denen ich in letzter Zeit gesprochen habe, vermuten bereits, daß alle Teilgebiete der Wissenschaft irgendwann begrenzt sind. Sie glauben, daß die Zahl der noch zu entdeckenden Naturgesetze und Phänomene nicht unendlich groß ist, sondern daß sie alle eines Tages in einer allgemeinen Theorie zusammengefaßt werden können – und daß wir von dieser Theorie nicht mehr allzu weit entfernt sind. Natürlich läßt sich diese Voraussage nicht beweisen, aber die Möglichkeit besteht immerhin.
    Außerdem müssen Sie berücksichtigen, daß wir nicht alle Wissenschaftler sind oder werden können.«
    Mandelbaum starrte in die Nacht hinaus. Wie still es draußen ist , dachte er. »Einverstanden, aber wie steht es mit der Kunst?« fragte er dann. »Wir müssen eine völlig neue Malerei Bildhauerei, Musik, Literatur und Architektur entwickeln – in Ausdrucksformen, die niemand für möglich gehalten hätte!«
    »Wenn wir die richtige Gesellschaft hervorbringen.« (Die Geschichte zeigt, daß die Kunst immer dazu tendiert, dekadent zu werden oder sich auf eine bloße Nachahmung der Vergangenheit zu beschränken. Offenbar ist eine Art Herausforderung notwendig, um sie wieder aufzuwecken. Und Sie müssen bedenken, daß wir auch nicht alle Künstler sein können, mein Freund.)
    »Nein?« (Ich frage mich, ob in Zukunft nicht jeder Mensch Künstler und Wissenschaftler und Philosoph gleichzeitig sein ...)
    »Aber wir brauchen trotzdem Führer, Anreize und ein Weltsymbol.« (Das ist der Grund für unsere gegenwärtige Leere: wir haben noch kein Symbol gefunden. Wir besitzen weder Mythen noch Träume. ›Der Mensch ist das Maß aller Dinge‹ – was nützt uns dieser Grundsatz, wenn das Maß größer als alles andere ist?)
    »Wir sind noch immer ziemlich klein und unbedeutend.« Mandelbaum zeigte aus dem Fenster zum Himmel hinauf. (Dort draußen wartet ein ganzes Universum auf uns.)
    »Vielleicht ist das der Beginn der richtigen Antwort«, sagte Rossman langsam. (Die Erde ist zu klein geworden, aber das Weltall ... vielleicht finden wir dort die Herausforderung und die Träume, die wir brauchen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß wir ein neues Ziel finden müssen.)
    Die Gegensprechanlage neben Mandelbaum summte leise. Er streckte die Hand aus und legte den Schalter um. Plötzlich fühlte er sich unendlich müde. Eigentlich hätte er in diesem Augenblick nervös und aufgeregt sein müssen, aber er spürte nur eine grenzenlose Müdigkeit.
    Aus dem Lautsprecher drang eine blecherne Stimme: »Raumstation meldet Raketenstart im Ural. Vier Flugkörper mit Kurs auf New York. Geschätzte Flugzeit noch zehn Minuten.«
    »Zehn Minuten!« Rossman pfiff leise zwischen den Zähnen. »Dann haben sie also doch Raketen mit Atomantrieb.«
    »Richtig.« Mandelbaum stellte die Verbindung

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