Die Macht des Lichts
kostete.
Vestas hatte die drei Soldaten ein wenig abseits unter einem großen Baum zurückgelassen. Bryne nahm eine Abteilung Soldaten mit und überließ es Gawyn, den Rest der Männer zu organisieren. Er folgte Siuan. Sie kniete bereits neben dem ersten Verletzten. Ihr Geschick im Heilen war nicht groß; da hatte sie Bryne bereits vorgewarnt. Aber vielleicht konnte sie ja den Zustand der drei Männer so stabilisieren, dass sie lange genug bis zu ihrer Entdeckung und Gefangennahme durch die Weiße Burg überleben würden.
Sie arbeitete schnell, und Bryne entdeckte, dass sie wirklich übertrieben hatte. Sie schien beim Heilen durchaus anständige Arbeit zu leisten. Dennoch benötigte das Zeit. Bryne ließ die Blicke über den Hof schweifen und spürte, wie seine Nervosität wuchs. Aus den oberen Etagen wurden noch immer Feuerbälle geschleudert, aber in den unteren Etagen und auf dem Gelände herrschte Ruhe. Die einzigen Laute kamen von den stöhnenden Verwundeten und dem Prasseln der Flammen.
Beim Licht, dachte er und betrachtete die Trümmer, ließ den Blick über das Erdgeschoss der Burg gleiten. Das Dach des Ostflügels und die Seitenmauer waren eingestürzt, überall in dem Gebäude flackerten Flammen. Der Hof war voller Steintrümmer und tiefer Narben. Dichter, stinkender Rauch hing in der Luft. Würden die Ogier bereit sein, zurückzukehren und dieses prächtige Bauwerk zu reparieren? Würde es jemals wieder wie früher sein, oder war dieses scheinbar für alle Ewigkeit errichtete Monument in dieser Nacht gefallen? Verspürte er Stolz, weil er Zeuge des Untergangs geworden war, oder doch Trauer?
In der Dunkelheit neben dem Baum bewegte sich ein Schatten.
Bryne handelte, ohne nachzudenken. Drei Dinge kamen in ihm zusammen: Jahre der Übung im Schwertkampf, ein Leben erworbener Schlachtfeldreflexe und eine neue, vom Bund verstärkte Aufmerksamkeit. Alles kam in einer Bewegung zusammen. Einen Herzschlag später hatte sein Schwert die Scheide verlassen, und er vollzog Der letzte Biss der Schwarzlanze, rammte die Klinge direkt in den Hals einer dunklen Gestalt.
Alle standen wie erstarrt. Siuan sah entsetzt von dem Mann auf, den sie gerade Heilte. Brynes Schwert befand sich direkt über ihrer Schulter und endete im Hals eines seanchanischen Soldaten in schwarzer Rüstung. Lautlos ließ der Mann ein mit hässlichen Sägezähnen versehenes Kurzschwert fallen, dessen Klinge mit einer öligen Flüssigkeit überzogen war. Mit zuckenden Fingern griff er nach Brynes Schwert, als wollte er es herausziehen. Einen Augenblick lang packte er Brynes Arm.
Dann rutschte der Mann rückwärts von Brynes Klinge und sackte zu Boden. Er bäumte sich einmal auf und flüsterte etwas, das trotz des Blubberns in seinem blutenden Hals deutlich zu verstehen war. »Marath … damane …«
»Soll das Licht mich doch verbrennen!«, keuchte Siuan und hob eine Hand an die Brust. »Was war das?«
»Er ist nicht wie die anderen gekleidet«, sagte Bryne und schüttelte den Kopf. »Seine Rüstung ist anders. Irgendeine Art von Meuchelmörder.«
»Beim Licht«, sagte Siuan. »Ich habe ihn nicht einmal gesehen! Er schien beinahe ein Teil der Dunkelheit selbst zu sein!«
Meuchelmörder. Sie schienen immer gleich auszusehen, ganz egal, welcher Kultur sie angehörten. Bryne schob das Schwert zurück in die Scheide. Das war das erste Mal, dass er Der Letzte Biss der Schwarzlanze im Kampf benutzt hatte. Es war eine einfache Figur, die nur für eines gedacht war: Schnelligkeit. Die Klinge ziehen und in den Hals stechen, und das alles in einer flüssigen Bewegung. Verfehlte man, starb man für gewöhnlich.
»Ihr habt mir das Leben gerettet«, sagte Siuan und schaute zu Bryne hoch. Ihr Gesicht lag größtenteils im Schatten verborgen. »Beim Meer der Mitternacht«, sagte sie, »das verfluchte Mädchen hat recht behalten.«
»Wer?«, fragte Bryne und suchte die Dunkelheit misstrauisch nach weiteren Attentätern ab. Er winkte, und seine Männer öffneten ihre Laternen verlegen ein Stück weiter. Der Angriff war so schnell erfolgt, dass sie sich kaum gerührt hatten. Hätte Bryne nicht über die Schnelligkeit des Behüterbundes verfügt…
»Min«, sagte Siuan müde. Das Heilen schien sie eine Menge Kraft gekostet zu haben. »Sie sagte, ich müsste in Eurer Nähe bleiben.« Sie hielt inne. »Wärt Ihr nicht heute Nacht mitgekommen, wäre ich gestorben.«
»Nun«, sagte Bryne. »Ich bin Euer Behüter. Ich vermute einmal, das wird nicht das einzige
Weitere Kostenlose Bücher