Die Macht des Lichts
später würde er Gawyn in genau diesem Teich vor dem Ertrinken retten.
Gawyn konnte seinen Vater Worte aussprechen hören, die er niemals vergessen sollte. Was man auch sonst von Taringail Damodred halten wollte, dieser Rat hatte vernünftig geklungen. »Es gibt zwei Arten von Menschen, denen du niemals vertrauen solltest«, hatte der Mann beim Vorbeigehen zu Galad gesagt. »Die ersten sind hübsche Frauen. Die zweiten sind Aes Sedai. Das Licht stehe dir bei, mein Sohn, solltest du es jemals mit einer zu tun haben, die beides ist.« Das Licht stehe dir bei, mein Sohn.
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man in dieser Angelegenheit den ausdrücklichen Wunsch der Amyrlin missachtet«, sagte Lelaine geziert und rührte die Tinte in dem kleinen Fässchen auf ihrem Schreibtisch um. Kein Mann vertraute wunderschönen Frauen, ganz egal, wie sehr er auch von ihnen fasziniert sein mochte. Aber nur wenige begriffen, was Taringail gemeint hatte - dass ein hübsches Mädchen weitaus gefährlicher sein konnte, so wie ein brennendes Stück Holz, das gerade genug abgekühlt war, um nicht länger heiß auszusehen.
Lelaine war keine Schönheit, aber sie war hübsch, vor allem, wenn sie lächelte. Schlank und anmutig, ohne ein graues Haar auf dem Kopf, ein mandelförmiges Gesicht mit vollen Lippen. Sie schaute ihn mit Augen an, die viel zu sanft waren, um einer Frau mit ihrer Gerissenheit zu gehören. Und das schien ihr auch bewusst zu sein. Sie wusste, dass sie gerade attraktiv genug war, um Aufmerksamkeit zu erregen, aber nicht atemberaubend genug, um in Männern Misstrauen zu entfachen.
Sie war eine Frau der gefährlichsten Sorte. Eine, die authentisch wirkte, die Männer glauben machte, dass sie möglicherweise ihre Aufmerksamkeit erregen konnten. Sie war nicht hübsch wie Egwene, die in einem den Wunsch entfachte, mit ihr Zeit zu verbringen. Das Lächeln dieser Frau wollte einen die Messer am Gürtel und im Stiefel zählen lassen, nur um sicherzugehen, dass keines von ihnen den Weg in den eigenen Rücken gefunden hatte, solange man abgelenkt gewesen war.
Gawyn stand neben ihrem Schreibtisch, im Schatten des hohen blauen Zeltes. Man hatte ihn nicht aufgefordert, Platz zu nehmen, und er hatte auch nicht um das Privileg gebeten. Die Unterhaltung mit einer Aes Sedai, vor allem mit einer wichtigen, erforderte Geschick und Nüchternheit. Er stand lieber. Vielleicht würde er so aufmerksamer sein.
»Egwene versucht Euch zu beschützen«, sagte er und zügelte seine Ungeduld. »Darum hat sie Euch befohlen, auf eine Rettungsmission zu verzichten. Offensichtlich will sie nicht, dass Ihr Euch in Gefahr begebt. Sie ist aufopferungsvoll bis zuletzt.« Wäre sie das nicht, fügte er in Gedanken hinzu, hätte sie sich nicht von euch allen dazu drängen lassen, sich als Amyrlin-Sitz auszugeben.
»Sie scheint von ihrer Sicherheit sehr überzeugt zu sein«, erwiderte Lelaine und tippte ihre Feder in die Tinte. Sie fing an, etwas auf ein Blatt Pergament zu schreiben; eine Nachricht für jemanden. Gawyn las höflicherweise nicht über ihre Schulter mit, obwohl ihm ihre kalkulierte Berechnung keineswegs entging. Er war nicht wichtig genug, um ihre volle Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Er entschied sich, die Beleidigung zu ignorieren. Der Versuch, Bryne einzuschüchtern, war misslungen; bei dieser Frau würde so etwas noch weniger funktionieren.
»Sie versucht, Eure Sorgen zu zerstreuen, Lelaine Sedai«, sagte er stattdessen.
»Ich kann Menschen recht gut einschätzen, junger Trakand. Ich glaube nicht, dass sie das Gefühl hatte, in Gefahr zu schweben.« Sie schüttelte den Kopf. Ihr Parfüm roch nach Apfelblüten.
»Ich zweifle Eure Worte nicht an«, entgegnete er- »Wenn ich vielleicht wüsste, wie Ihr Euch mit ihr verständigt, könnte ich es besser einschätzen. Wenn ich …«
»Man hat Euch gewarnt, nicht danach zu fragen, Kind«, sagte Lelaine mit ihrer weichen, melodischen Stimme. »Überlasst den Aes Sedai die Dinge, die Aes Sedai sind.«
Beinahe genau die gleiche Antwort, die ihm jede Schwester gab, wenn er sich danach erkundigte, wie sie mit Egwene kommunizierten. Er biss sich auf die Zunge. Was hatte er erwartet? Es hatte mit der Einen Macht zu tun. Nach der ganzen Zeit in der Weißen Burg verstand er noch immer nicht genau, was man mit der Macht ausrichten konnte und was nicht.
»Wie dem auch sei«, fuhr Lelaine fort, »die Amyrlin ist der Ansicht, in relativer Sicherheit zu sein. Shemerins Geschichte bestätigt nur
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