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Die Macht

Die Macht

Titel: Die Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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gewesen, Kaffee zu kochen oder Briefe abzutippen – aber das waren eben Männer einer ganz anderen Generation.
    Irene blickte zu den Senatoren auf, die auf ihren hohen schwarzen Ledersesseln saßen. Diese Männer waren heute ihre Richter – sechzehn Männer und keine einzige Frau. Kennedy machte sich dennoch keine Sorgen, weil sie zu fast allen ein gutes Verhältnis hatte – und die wenigen, die sie weniger gut kannte, würden kaum Schwierigkeiten machen. Einer oder zwei würden sich vielleicht ein wenig in Szene setzen, doch damit würde sie schon fertig werden. Die Männer respektierten sie größtenteils, was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte. Hier ging es nicht um irgendetwas Persönliches, sondern um eine hochoffizielle Angelegenheit.
    Die Fotografen, die zwischen dem Zeugentisch und dem Podium am Boden saßen, schossen weiter ihre Fotos. Senator Clark blickte von seinem Platz auf dem Podium zu ihr herunter, und Irene erwiderte sein Lächeln und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass sie bereit war. Es war beruhigend, zu wissen, dass sie einen Verbündeten im Ausschuss hatte. Aus irgendeinem ihr unerfindlichen Grund spürte sie auf einmal Angst in sich aufsteigen. Sie hatte es fast geschafft und stand wahrscheinlich nur noch wenige Tage davor, das Amt des Direktors des mächtigsten Geheimdienstes der Welt anzutreten – und trotzdem hatte sie plötzlich das unangenehme Gefühl, dass die Sache nicht so glatt gehen würde, wie alle dachten. Es gab im Moment zwei äußerst wichtige Dinge, um die sie sich kümmern musste und von denen sie dem Ausschuss verständlicherweise nichts sagen konnte. Sie würden ohnehin früh genug von der Gefahr im Irak erfahren, doch der Präsident hatte darauf bestanden, die Sache vorläufig geheim zu halten. Man würde keinen Aufschub des Hearings verlangen, damit man sich uneingeschränkt dem Problem widmen konnte. Sie würde also hier sitzen müssen und eine endlose Flut von Fragen über sich ergehen lassen, von denen die meisten völlig banal waren.
    Senator Clark schlug mit dem Hammer auf den Tisch, um für Ruhe im Saal zu sorgen, und begrüßte zunächst Irene Kennedy offiziell. Nach einigen einleitenden Worten zum Ablauf des Verfahrens forderte er die designierte Direktorin auf, sich zu erheben und ihm mit erhobener Hand nachzusprechen. Irene Kennedy kam der Aufforderung nach, und als sie die rechte Hand hob, brach erneut ein Blitzlichtgewitter los. Sie wusste, warum die Fotografen genau dieses Bild haben wollten; falls man sie je bei einer Lüge ertappen würde, konnte man dieses Foto abdrucken und die Schlagzeile darüber setzen: CIA-Direktorin belügt den Kongress. Irene Kennedy sprach den Eid und nahm sich vor, sehr wachsam zu sein. Es gab so viele Situationen, in denen man Gefahr lief, über die eine oder andere Lüge zu stolpern.

Wolf Trap Park, Virginia,
Freitagabend
    Steveken hatte die Hände tief in den Manteltaschen vergraben. Er bereute, dass er keine lange Unterwäsche angezogen hatte, aber daran hatte er natürlich nicht gedacht. Es war der erste wirklich kalte Abend in diesem Herbst; im Laufe der Nacht würde die Temperatur wahrscheinlich unter den Gefrierpunkt sinken. Es war sehr dunkel an diesem Abend, viel dunkler als am Abend zuvor. Steveken hielt sich schon eine halbe Stunde im Park auf und wartete ungeduldig darauf, dass Brown endlich auftauchte. Seit dem gestrigen Gespräch mit Brown hatte er einige Nachforschungen angestellt – aber nicht über Irene Kennedy, sondern über den Exrichter.
    Einige seiner alten Freunde beim FBI waren nur zu gern bereit, Auskunft zu geben. Steveken erzählte seinen Kontaktpersonen, dass Brown für einen bestimmten Posten vorgesehen sei und dass sein zukünftiger Arbeitgeber einige Informationen über ihn einholen wolle. Steveken erhielt auf diese Weise ein ganz bestimmtes Bild von Brown, das weitgehend mit dem übereinstimmte, was er selbst bereits über den ehemaligen Richter gehört hatte. Der Mann war beim FBI nicht gerade beliebt. Er galt als liberaler Richter, der sich jedoch peinlich genau an die Vorschriften hielt. Unter anderem hatte Steveken mit einem ehemaligen Staatsanwalt gesprochen, der Brown als den selbstgerechtesten und eingebildetsten Richter bezeichnete, der ihm je begegnet sei. Man hörte generell nicht allzu viel Positives über den Mann, doch Steveken musste sich eingestehen, dass die Leute, die er befragt hatte, größtenteils aus Polizeikreisen kamen, wo man liberale Richter ohnehin nicht sehr

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