Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Macht

Die Macht

Titel: Die Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
Vom Netzwerk:
wunderbaren Dom von Mailand, dessen Bau über 400 Jahre in Anspruch genommen hatte. Die beeindruckende Schönheit der Kirche hätte wohl noch beim unerschütterlichsten Menschen eine Gefühlsregung hervorgerufen. In Annas aufgewühltem Zustand bewirkte der Anblick des ehrwürdigen Gebäudes, dass die Tränen reichlich flossen und dass sie eine stumme Frage an Gott richtete. Sie wollte ganz einfach wissen, warum. Warum hatte er es zugelassen, dass sie sich in Mitch Rapp verliebte? Es gab so viele Männer auf der Welt – warum musste es ausgerechnet er sein?
    Gott gab ihr keine Antwort. Nachdem sie fast den ganzen Vormittag im Duomo verbracht hatte, vertrieb sie sich die Zeit mit Einkaufen. Das half für eine Weile, doch sie stellte bald fest, dass sie sich immer, wenn ihr etwas gefiel, fragte, ob es auch Mitch gefallen würde. Der Tag führte ihr jedenfalls deutlich vor Augen, dass sie Mitch Rapp mehr liebte, als es ihr je bewusst gewesen war.
    Schließlich nahm sie noch all ihren Mut zusammen und ging essen. Anna Rielly konnte überaus hartnäckig sein, und sie weigerte sich, einfach nur in ihrem Zimmer herumzusitzen und Trübsal zu blasen. Der Rezeptionist des Hotels reservierte für sie einen Tisch im Leo, einem netten Restaurant nicht weit vom Hotel entfernt, das für seinen frischen Fisch und seine entspannte Atmosphäre bekannt war. Anna zog sich sehr konservativ an; sie wollte zwar nicht im Hotelzimmer sitzen bleiben, doch sie wollte andererseits auch nicht die Aufmerksamkeit irgendwelcher Männer auf sich ziehen.
    Als sie im Restaurant eintraf, bekam sie einen Tisch für zwei Personen am vorderen Fenster. Sie bestellte ein Glas Foradori Pinot Noir und begann die Speisekarte durchzusehen. Sie saß keine fünf Minuten an ihrem Platz, als ein Mann an ihren Tisch kam. Er fragte Anna Rielly, ob er sich zu ihr setzen dürfe, und sie lehnte höflich ab. Sie bestellte Penne mit Krabben und gegrillten Venusmuscheln und ein zweites Glas Wein. Das Abendessen war köstlich – doch noch bevor sie den letzten Bissen gegessen hatte, kam ein zweiter Mann an ihren Tisch und setzte sich zu ihr. Er trug einen eleganten dunklen Anzug mit Krawatte und schien um die fünfzig zu sein. Anna war ziemlich verärgert und wollte ihm schon sagen, dass er gefälligst verschwinden solle, als etwas Sonderbares geschah.
    »Guten Abend, Miss Rielly«, sagte der Mann. »Verzeihen Sie, dass ich Sie so überfalle, aber ein gemeinsamer Bekannter von uns beiden hat mir gesagt, dass ich Ihnen eine Nachricht zukommen lassen soll.«
    Annas Herz machte einen Sprung. »Mitch?«
    »Nein«, antwortete der Mann und blickte sich im Restaurant um. »Dr. Kennedy.« Er streckte ihr die Hand entgegen und sagte: »Mein Name ist Tino Nanne. Ich arbeite im Konsulat hier in Mailand.«
    »Im amerikanischen Konsulat?«
    »So ist es.«
    Anna beugte sich etwas vor und fragte mit gedämpfter Stimme: »Ist mit Mitch alles in Ordnung?«
    »Das weiß ich leider nicht, Miss Rielly. Man hat mir nur gesagt, dass ich Ihnen eine Nachricht überbringen soll.«
    »Was für eine Nachricht?«, fragte Anna neugierig.
    »Dr. Kennedy meint, dass Sie in die Vereinigten Staaten zurückkehren sollten.«
    Anna war ziemlich überrascht. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich weiß praktisch gar nichts. Ich habe nur den Auftrag, Ihnen das zu sagen. Dr. Kennedy ist aus mir unbekannten Gründen der Ansicht, dass Sie sofort in die USA zurückkehren sollten.«
    »Arbeiten Sie für die CIA?«
    Der Mann zuckte zusammen und blickte sich beunruhigt um. »Ich arbeite für das Außenministerium, und geben Sie bitte Acht, was Sie sagen.«
    Als Journalistin war es Anna gewohnt, Fragen zu stellen, wann und wie sie wollte. »Ich glaube, Sie wissen mehr, als Sie mir sagen.«
    »Ich weiß eine Menge, junge Lady«, antwortete der Mann und stand auf. »Aber was die Gründe betrifft, warum Sie in die Staaten zurückkehren sollten, darüber weiß ich leider nichts.« Er griff in die Brusttasche seines Jacketts und zog eine Visitenkarte hervor. »Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie mich an.« Er legte die Karte auf den Tisch und verließ das Restaurant.
    Tel Aviv, Freitagabend
    Ben Freidman hämmerte eifrig auf die Tastatur seines Computers ein. Die jüngeren Leute beim Mossad nannten es »im Web surfen«, er selbst nannte es eher »Informationen einholen«. Freidman sah nicht so aus, als wäre der Computer sein eigentlicher Arbeitsplatz. Mit seinem kahlen Kopf, seinen breiten Schultern und kräftigen Unterarmen

Weitere Kostenlose Bücher