Die Macht
hatte. Clark war zwar an der Entstehung des Orion-Teams nicht unbeteiligt gewesen – doch Thomas Stansfield hatte sich damals bereit erklärt, selbst den Kopf hinzuhalten, wenn etwas schief ging. Irene Kennedy würde es genauso halten. Clark würde nicht mit hineingezogen werden und sich als großer Staatsmann erweisen, wenn sich seine Kollegen morgen auf Irene Kennedy stürzen würden.
Das Hearing würde von einem riesigen Fernsehpublikum verfolgt werden, doch das war nur der Anfang. Jede Zeitschrift, jede Zeitung würde die Geschichte auf der Titelseite bringen. Bald würde jede Wählerin und jeder Wähler im Land sein Gesicht und seinen Namen kennen – kurz gesagt, die Geschichte war das ideale Sprungbrett für seine Kandidatur als Präsident der Vereinigten Staaten.
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Saudi-Arabien, Sonntagabend
Rapp stand am Rand einer Felsformation in der Wüste und blickte auf die hügelige Landschaft hinaus, die sich in der Ferne in Richtung Bagdad erstreckte. Der Ort, an dem er sich befand, wurde vom Pentagon als Oasis One bezeichnet. Nur wenige wussten von seiner Existenz. Er lag direkt an der Grenze zwischen Saudi-Arabien und dem Irak, etwa dreihundert Kilometer von Bagdad entfernt. Die Felsformation, die die natürliche Grenze der vorgeschobenen Basis bildete, ragte aus dem roten Sand wie eine Vulkaninsel aus dem Meer. Rapp war der einzige Zivilist, der diesen Stützpunkt je betreten hatte. Das militärische Personal, das auf dieser Felseninsel stationiert war, nannte den Stützpunkt eine vorgeschobene Operationsbasis. Als Angehörige der Special Forces hatten sie ihre eigene Sprache; sie verwendeten nicht die offizielle, wenn auch streng geheime Bezeichnung »Oasis One«, sondern nannten den Ort ganz einfach »Snake Pit«, also »Schlangengrube«.
Special-Forces-Leute waren in jeder Hinsicht anders. Rapp erschienen sie durchaus normal, doch in der Welt der Streitkräfte waren sie eine ganz eigene Spezies. Sie bildeten sich einiges darauf ein, ihre eigenen Regeln zu haben; so hatten sie sich, als sie zu dem Stützpunkt kamen, als Erstes eine Bar eingerichtet. Alkohol war für die US-Truppen in Saudi-Arabien generell streng verboten – doch davon ließen sich die Green Berets, die Delta-Force-Leute, die Navy SEALs und die Helikopterpiloten auf diesem Vorposten nicht abschrecken.
Sie waren am Vorabend auf der Prince Sultan Air Base eingetroffen, nachdem sie von North Carolina nonstop, aber mit mehreren Luftbetankungen hergeflogen waren. Der Transport war mit drei großen C-141-Starlifter-Maschinen bewerkstelligt worden. Außer dem Team, das nach Bagdad vorstoßen würde, hatte Colonel Gray noch zusätzliche hundert Delta-Force-Leute mitgenommen. Einem Teil von ihnen würde die wichtige Aufgabe zukommen, den Kommandotrupp zu unterstützen, falls bei der Operation etwas schief ging; für den Rest der Truppe hatte Colonel Gray eine ganz spezielle Aufgabe vorgesehen.
Da es sich um eine streng geheime Mission handelte, flog man im Schutze der Dunkelheit ins Land. Das Ziel, die hundert Kilometer südlich von Riad gelegene Prince Sultan Air Base, hat einen amerikanischen Abschnitt, der bestmöglich gesichert ist. Die Sicherheitsmaßnahmen sind zum Teil eine Konsequenz des tragischen Anschlags auf eine US-Truppenunterkunft in Dhahran im Jahr 1996, bei dem 19 US-Soldaten ums Leben kamen. Auf dem Stützpunkt herrscht ein ständiges Kommen und Gehen von Special-Forces-Leuten, doch es kommt nicht oft vor, dass eine so große Streitmacht eintrifft – es sei denn, es wird eine Übung abgehalten. Man beeilte sich, den Stützpunkt wieder zu verlassen; noch vor Sonnenaufgang begannen die Helikopterpiloten des 160 th Special Operations Aviation Regiment und des 1 st Special Operations Wing damit, die Soldaten von der Prince Sultan Air Base zur Nordgrenze des Landes zu transportieren. Der Großteil der Streitmacht wurde zu Oasis One gebracht; weitere Einheiten wurden entlang der Grenze an genau festgelegten Punkten verteilt.
Die amerikanischen Streitkräfte hatten im Golfkrieg so manche Lektion gelernt; die wichtigste davon war vielleicht, dass die Ausrüstung dort sein sollte, wo sie hingehörte, bevor die Auseinandersetzung begann. Als Saddam Hussein im Juli 1990 in Kuwait einmarschierte, waren die USA völlig unvorbereitet; man musste rasch eingreifen, weil man befürchtete, dass Saddam die Gelegenheit nützen und auch gleich Saudi-Arabien überfallen könnte. Zu Beginn konnte Präsident Bush nichts anderes tun, als Teile der
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