Die Macht
Freunde und Verwandte ein. Je nachdem, wie beschäftigt der Präsident war, blieb er manchmal noch stehen und schüttelte den Anwesenden die Hand. Der Empfang auf der South Lawn des Weißen Hauses war für sieben Uhr abends angesetzt – doch nach dem Interview, das ein bestimmter Kongressabgeordneter im Fernsehen gegeben hatte, kehrte der Präsident etwas früher aus Camp David zurück. Er war jedenfalls nicht in der Stimmung, um irgendjemandem die Hand zu schütteln.
Die Tür des Helikopters ging auf, und Präsident Hayes kam, mit einer olivbraunen Hose und blauem Blazer bekleidet, heraus. Er erwiderte den militärischen Gruß des Marines, der vor dem Helikopter stand, und eilte sofort weiter, um sein Büro aufzusuchen. Während er raschen Schrittes die South Lawn durchquerte, hatten die Angehörigen seines Stabs Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Einige seiner Mitarbeiter wollten mit ihm sprechen, doch er ging nicht darauf ein. Es gab nur eine Sache, die ihn beschäftigte, und darüber würde er nicht hier draußen sprechen.
Als er das Oval Office erreichte, knallte er die Tür hinter sich zu und sah seine Stabschefin Valerie Jones an. »Wo, zum Teufel, sind die anderen?«
»Dr. Kennedy ist unten im Situation Room. Die anderen sollten jeden Augenblick hier sein.«
Der Präsident war immer noch völlig außer sich. »Haben Sie gesehen, was er im Fernsehen gesagt hat?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich habe gehört, dass es eine sehr ernste Sache sein soll.«
Der Präsident wusste selbst am besten, wie ernst es war; er hatte zu einigen der Operationen, die Rudin angeprangert hatte, selbst grünes Licht gegeben. »Valerie«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, »ich möchte, dass eines unmissverständlich klar ist. Ich will diesen Albert Rudin vernichten. Ab morgen früh arbeitet er in einer Besenkammer im vierten Stock des Kapitols. Ich will dafür jede politische Unterstützung nützen, die wir bekommen können, damit sich Rudin wie ein Aussätziger vorkommt.«
Valerie Jones faltete zuerst die Hände, als würde sie beten, und machte dann eine beschwichtigende Handbewegung. »Ich glaube nicht, dass wir …«
»Wollen Sie ihn vielleicht noch in Schutz nehmen?«, versetzte der Präsident. »Ich habe ihn gewarnt, das wissen Sie genau.«
Valerie Jones nickte. Sie wusste, dass der Präsident seinem Ärger irgendwie Luft machen musste – und als Stabschefin gehörte es auch zu ihren Aufgaben, den einen oder anderen Wutausbruch über sich ergehen zu lassen.
»Und jetzt wagt es dieser kleine Scheißkerl doch tatsächlich, sich weiter in die Angelegenheiten der CIA einzumischen und mir in den Rücken zu fallen.«
»Er ist Vorsitzender des Geheimdienstausschusses, Sir.«
»Ja, aber er ist auch ein Demokrat, verdammt noch mal«, rief Hayes erbost. »Er sollte eigentlich auf unserer Seite sein. Muss ich mir jetzt auch noch darüber Sorgen machen, dass mich die Abgeordneten meiner eigenen Partei angreifen?«
»Sir, ich weiß, dass Sie verärgert sind, aber Sie müssen sich jetzt erst einmal beruhigen.«
Der Präsident hob eine Hand wie ein Verkehrspolizist. »Ich weiß, Sie wollen mich daran hindern, irgendetwas Dummes zu tun, aber diesmal gibt es kein Wenn und Aber, Valerie. Albert Rudin hat eine politische Todsünde begangen – er ist dem eigenen Präsidenten in den Rücken gefallen. Er hat mich in aller Öffentlichkeit angegriffen, und jetzt gibt es kein Zurück mehr. Diese Krise kann nur einer von uns beiden politisch überleben.«
Valerie Jones blinzelte einige Male und nickte schließlich. Sie würde es später noch einmal versuchen, wenn er sich ein wenig beruhigt hatte. »Was soll ich jetzt tun?«, fragte sie.
»Ich will die ganze Parteispitze hier haben«, sagte der Präsident und ging zur Tür. »Ich gehe jetzt nach unten. Lassen Sie es mich wissen, wenn die anderen kommen.«
Valerie Jones ging hinter ihm her. »Soll ich Sie begleiten?«, fragte sie. Sie hatte Angst, der Präsident könnte noch ganz andere Dinge sagen, wenn sie nicht dabei war.
»Nein!«, polterte Hayes und stürmte aus dem Oval Office, um den einen Stock tiefer gelegenen Situation Room aufzusuchen. Als er das Konferenzzimmer betrat, registrierte er ein wenig überrascht, dass außer Irene Kennedy auch General Flood, General Campbell und ein halbes Dutzend Offiziere anwesend waren. Sie saßen über den Tisch gebeugt da und studierten einige Landkarten, die vor ihnen ausgebreitet waren. Als der Präsident
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