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Die Macht

Die Macht

Titel: Die Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Horizont, sodass die Felsformation lange Schatten ins Land hinein warf. Er spürte, wie die Hitze sich aus der Wüstenlandschaft verflüchtigte. In den nächsten zwei Stunden würde die Temperatur um fünfzehn Grad absinken. Rapp blickte ohne Furcht, höchstens mit einer gewissen Anspannung in Richtung Bagdad. Auch ein klein wenig Bedauern war dabei; er wünschte, die Dinge hätten sich zwischen ihm und Anna anders entwickelt – doch es war nun einmal nicht so. Das war aber auch nicht weiter verwunderlich – schließlich gehörten sie gänzlich verschiedenen Welten an, und keiner von beiden war bereit, seine Welt völlig aufzugeben. Aus diesem Grund würde sich die Kluft zwischen ihnen wohl nie überwinden lassen. Wenigstens hatte er seine Überzeugung zurückgewonnen; er glaubte wieder daran, dass er in seinem Job etwas bewirken konnte. In diesem Fall konnte er dazu beitragen, dass hunderte unschuldiger Menschen im Al-Hussein-Krankenhaus verschont blieben. Sie kannten ihn nicht und würden ihn auch nie kennen lernen – ja, sie würden gar nicht wissen, dass er ihnen das Leben gerettet hatte, aber er musste trotzdem alles tun, um es zu schaffen.
    Eine leichte Brise wirbelte den Sand am Fuße der Felsen auf. Rapp fragte sich, ob nicht vielleicht einer seiner Urahnen einst aus dieser Gegend gekommen war. Vielleicht lag es auch nur an der Ähnlichkeit zwischen der Wüste und dem Meer, dass er sich hier irgendwie zu Hause fühlte. Meer und Wüste waren beides mächtige Elemente mit einer ganz eigenen Schönheit, und sie konnten beide das menschliche Auge dazu verleiten, Dinge zu sehen, die nicht wirklich da waren.
    Beide konnten als Lebensräume sehr unwirtlich sein, wenn man nicht sehr auf der Hut war. Plötzlich hörte er hinter sich Schritte, die ihn aus seinen Gedanken rissen. Als er sich umdrehte, sah er Colonel Gray durch die schmale Felsspalte auf sich zukommen.
    »Schön hier oben, nicht wahr?«, fragte der drahtige Kommandeur der Delta Force.
    »Sehr sogar.«
    »Eine perfekte natürliche Festung«, sagte Gray und legte eine Hand auf den Felsen, um in den dreißig Meter tiefen Abgrund hinunterzublicken.
    »Was habt ihr den Beduinen gegeben, dass sie euch den Felsen überlassen haben?«
    »Gar nichts. Früher haben sie von hier aus Überfälle in den Irak unternommen. Sie haben alles gestohlen, was sie in die Finger bekamen. Saddam hatte irgendwann genug davon und ließ das Rattennest ’98 ausräuchern und den Brunnen vergiften. Die Beduinen verschwanden und kamen nie mehr hierher zurück.«
    Rapp nickte. Vom Wasser hing hier in der Wüste alles ab. »Haben Sie sich schon überlegt, was wir heute Abend noch machen?«
    »Ja. Die Männer wissen ganz genau, wie die Landung und Rückführung vor sich gehen soll. Es bringt nichts, noch eine Übung abzuhalten und einen Unfall zu riskieren. Nein, sie sollen sich für morgen Abend ausruhen.«
    »Sie haben mit Washington telefoniert«, sagte Rapp, den Blick auf die Wüste gerichtet.
    »Ja.«
    »Und – haben wir grünes Licht?«
    Gray lächelte. »Wir wissen ja, wie schnell sie es sich dort anders überlegen. Aber im Moment haben wir grünes Licht.«
    »Gut. Wir können es uns nicht leisten, dass irgendetwas dazwischenkommt. Je länger wir warten, umso größer ist das Risiko, dass irgendjemand etwas ausplaudert.«
    »Meine Leute sicher nicht«, entgegnete Gray.
    »Es sind auch nicht Ihre Männer, die mir Sorgen machen, sondern die Wichtigtuer in Washington. Wir müssen unbedingt den Überraschungseffekt auf unserer Seite haben. Ich habe dem Präsidenten gesagt, dass Ihre Männer die Sache schon hinbekommen. Ein Tag oder eine Woche mehr an Vorbereitung bringt nur wenig, aber wenn irgendetwas nach außen dringt, dann sind wir geliefert.« Rapp blickte in die Ferne in Richtung Bagdad. »Wenn sie wissen, dass wir kommen, dann wird uns auch die beste Vorbereitung nichts mehr helfen.«

39
    South Lawn, Weißes Haus,
Sonntagnachmittag
    Es war windstill, als sich Marine One aus dem grauen Himmel herabsenkte. Die Räder landeten mitten auf den drei Scheiben, die man ausgelegt hatte, damit der schwere Helikopter nicht im Gras einsank. Die Feuerwehr stand bereit für den Fall, dass irgendetwas passierte, und der Secret Service war in voller Stärke angerückt, um zu verhindern, dass irgendjemand Dummheiten machte. Das Händeschütteln war diesmal gestrichen worden. Wenn der Präsident das Weiße Haus mit dem Marine One verließ oder hierher zurückkehrte, lud sein Stab oft

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