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Die Macht

Die Macht

Titel: Die Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Clark nahm einen tiefen Zug von seiner Diamond-Crown-Figurado-Zigarre und blies den Rauch in die Nacht hinaus.
    Die Kombination aus Nikotin und dem hochprozentigen Cognac tat ihre Wirkung. Er näherte sich jenem inneren Zustand, den er mehr denn je herbeisehnte – das Stadium, in dem der Alkohol tatsächlich die Klarheit des Denkens förderte. Es war nicht leicht, diesen Zustand herbeizuführen und aufrechtzuerhalten; allzu leicht passierte es, dass man über das Ziel hinausschoss und im Stumpfsinn der Trunkenheit versank.
    Die hochfliegenden Pläne des Senators lagen in Scherben, und er versuchte sich darüber klar zu werden, wie es so weit hatte kommen können. Jetzt war er jedenfalls zum Rückzug gezwungen. Es galt nun abzuwarten und sich zu sammeln, um den Kampf später wieder aufnehmen zu können. Der Schachzug des Präsidenten war wirklich genial gewesen. Bestimmt standen heute achtzig Prozent der Bevölkerung hinter ihm. Und Mitch Rapp würde durch die ganze Geschichte wahrscheinlich ein Nationalheld werden. Auch Irene Kennedy hatte an Profil gewonnen. Sie vermittelte einen sehr professionellen Eindruck und hatte gezeigt, dass sie auch in einer Krisensituation ruhig und besonnen blieb – mit einem Wort, sie war genau die Richtige, um die CIA zu leiten. Niemand im Kongress würde seine politische Karriere aufs Spiel setzen, um sich mit ihr oder dem Präsidenten anzulegen.
    Albert Rudin würde allen als abschreckendes Beispiel dienen. Er war als Politiker so gut wie erledigt. Der Präsident hatte ihn nach allen Regeln der Kunst auseinander genommen. Rudin war heute so etwas wie ein Aussätziger. Der Mann würde nicht einmal mehr im Burger King einen Tisch bekommen. Er hatte in ganz Washington keinen einzigen Verbündeten mehr.
    Clark kannte den starrsinnigen alten Esel gut genug, um zu wissen, dass er sich nicht still und leise nach Connecticut zurückziehen würde. Er war hier in Washington zu Hause, und die Demokratische Partei war sein Leben. Er war ein verzweifelter alter Mann – und verzweifelte Menschen verhielten sich alles andere als klug. Rudin war heute ein großer Unsicherheitsfaktor.
    Clark nahm noch einen Schluck von seinem Cognac und überlegte, welchen Schaden ihm der streitbare Abgeordnete eventuell zufügen konnte. Gewiss, der Senator konnte Rudins Vorwürfe als das Gejammer eines verbitterten alten Mannes abtun, doch der Präsident würde trotzdem stutzig werden. Und dann war da noch die Sache mit Steveken und Brown. Wenn der Präsident die Sache tatsächlich vom FBI untersuchen ließ, wie er es angekündigt hatte, dann konnte es für sie alle ziemlich ungemütlich werden. Er musste Rudin überreden, den Mund zu halten, sonst saß der Senator tief in der Patsche. Am ehesten ließ sich so etwas mit Geld regeln. Er würde Rudin zuerst zu überreden versuchen und ihm dann, wenn das nicht klappte, ein anständiges Schweigegeld bieten.
    Clark blickte aus dem offenen Fenster auf die National Mall hinaus und paffte an seiner Zigarre. Er überlegte, wie die Chancen standen, dass er mit seiner Strategie Erfolg hatte. Rudin war ein alter Geizkragen – also sollte Geld genau das Richtige sein, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    Plötzlich klopfte es laut an der Tür. Clark erschrak so sehr, dass er von seinem Stuhl aufsprang. Er legte eine Hand auf sein pochendes Herz und versuchte sich zu beruhigen.
    »Machen Sie die verdammte Tür auf, Hank! Ich weiß, dass Sie da sind!«
    Es war Rudin. Clark war sich nicht sicher, ob er jetzt schon mit ihm sprechen wollte. Er stand am offenen Fenster und rührte sich nicht.
    »Ich rieche Ihren verdammten Zigarrenrauch! Machen Sie die Tür auf, und zwar sofort!«, brüllte Rudin. »Das FBI will morgen mit mir sprechen, und sie haben mir geraten, dass ich einen Anwalt mitbringen soll! Ich muss Sie jetzt sofort sprechen.«
    Widerwillig stellte Clark das Glas auf den Tisch und schaltete eine Schreibtischlampe ein. Dann ging er zur Tür, sperrte auf und öffnete sie. Rudin zwängte sich unter wüsten Flüchen an Clark vorbei ins Zimmer. Clark schloss die Tür und wandte sich dem Abgeordneten zu. »Albert, ich finde es furchtbar, was heute Abend passiert ist. Ich verstehe ja, dass der Präsident aufgebracht ist, aber ich finde, er hat ein wenig über das Ziel hinausgeschossen.«
    »Sie verstehen, dass er aufgebracht ist«, stieß Rudin verächtlich hervor. »Er stellt mich vor der ganzen Welt als Verbrecher hin, und alles, was Ihnen einfällt, ist, dass Sie ihn verstehen!

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