Die Macht
Flood saß dem Präsidenten gegenüber am anderen Ende des langen Konferenztisches. »Bei unserem letzten Treffen haben Sie mich beauftragt, alle Optionen zu prüfen, wie wir unser Ziel erreichen können. Ich habe mich mit General Campbell beraten, und er hat vorgeschlagen, Colonel Gray hinzuzuziehen. Bevor ich das Wort an den Colonel übergebe, möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Delta Force ins Leben gerufen wurde, um extrem schwierige und heikle Situationen zu bewältigen. Ich habe großes Vertrauen in Colonel Gray und seine Männer, weil ich weiß, dass sie für jedes Problem einen maßgeschneiderten Lösungsansatz ausarbeiten. Unsere Aufgabe ist es, zu entscheiden, wann und wie wir sie einsetzen.« Der General blickte zu Colonel Gray hinüber und erteilte ihm mit einem Nicken das Wort.
»Mr. President«, begann Gray, »Sie erinnern sich vielleicht noch daran, dass die Delta Force im Golfkrieg beauftragt wurde, nach Möglichkeiten zu suchen, wie man Saddam entweder fassen oder töten könnte. Damals gab es zwei Meinungen zu dieser Angelegenheit. Die eine besagte, dass wir im Krieg seien und es deshalb legitim wäre, Saddam zu töten. Viele von uns betrachten ihn als Soldaten, zumal er meistens in Uniform auftritt und außerdem der Führer einer Militärdiktatur ist. Es gab jedoch auch nicht wenige, die meinten, dass wir damit die Executive Order von Präsident Reagan verletzen würden, derzufolge es untersagt ist, ein ausländisches Staatsoberhaupt zu töten. Die Debatte blieb rein theoretisch, weil wir Saddams Aufenthaltsort sowieso nicht in Erfahrung brachten. Trotzdem fanden wir einige sehr interessante Dinge heraus – zum Beispiel, dass Saddam seiner Sicherheit große Beachtung schenkt. Das geht so weit, dass selbst seine eigenen Leute oft nicht wissen, wo er sich gerade aufhält. Er verfügt über eine ganze Flotte von gepanzerten weißen Limousinen, die ständig kreuz und quer durchs Land fahren. Während des Krieges bekamen wir einmal die Meldung, dass Saddam in einem ganz bestimmten Viertel von Bagdad unterwegs sei, mussten aber wenig später feststellen, dass es einen weiteren Konvoi am anderen Ende der Stadt gab. Weitere fünf Minuten später kam eine Meldung, wonach man ihn im Süden des Landes gesehen hätte. Der Mann hat über zwanzig Paläste, und wir bekamen laufend Meldungen, dass eine Wagenkolonne kam oder abfuhr. Es war unmöglich, ihn aufzuspüren oder gar zu verfolgen.
Irgendwann nach dem Krieg kam mir dann eine Idee. Als Soldaten suchen wir immer nach der Schwachstelle des Feindes, und wenn wir keine finden, dann müssen wir nach einer Möglichkeit suchen, wie wir seine Stärken gegen ihn verwenden können.« Colonel Gray lächelte und fügte hinzu: »Ich habe einen Weg gefunden, wie wir Saddams Stärke gegen ihn einsetzen können.«
»Ich höre«, sagte der Präsident gespannt.
»Sir, auch im Irak weiß so gut wie niemand, wo sich Saddam gerade aufhält. Die Leute dort sind es gewohnt, dass jederzeit irgendwo im Land ein Konvoi von weißen Autos vorüberziehen kann. Niemand hält diese Fahrzeuge auf, um sie zu kontrollieren, weil es nur eine Person im ganzen Land gibt, die auf diese Weise unterwegs ist, nämlich Saddam sowie einige seiner engsten Angehörigen.«
Der Präsident konnte immer noch nicht erkennen, worauf der Colonel hinauswollte. »Ich verstehe nicht, wie wir das gegen ihn verwenden könnten.«
»Wenn nun in einem derartigen Konvoi nicht Saddam, sondern einige auserwählte Delta-Force-Leute sitzen würden, dann könnten sie unbehelligt durchs ganze Land fahren.«
Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Präsidenten aus. »Ein sehr interessanter Gedanke, Colonel«, sagte Hayes nickend. »Ich würde gern mehr darüber hören.«
19
Mailand, Donnerstagabend
Rapp wurde allmählich ungeduldig. Er hatte sich schon vor sechs Uhr im Café Jamaica eingefunden, um sich erst einmal im Lokal umsehen zu können. Anna hatte sich im Hotel hingelegt. Die Müdigkeit hatte sich nach der Nacht im Flugzeug und dem langen Einkaufsbummel schließlich doch bemerkbar gemacht. Rapp brachte sie ins Bett und sagte, dass er sie nach seiner Rückkehr wecken würde, damit sie noch zusammen Abend essen gehen konnten. Er fügte gähnend hinzu, dass er selbst ein wenig Schlaf gebrauchen konnte.
Nachdem sich Rapp an einem Ecktisch niedergelassen hatte, begann sich das Café nach und nach zu füllen. In der linken Hand, unter dem Tisch, hielt er seine Heckler & Koch-Pistole, die in eine
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