Die Macht
verdanken, der Rosenthal in die besetzten Gebiete geschickt hatte, um Informationen zu sammeln. Der Jude mit dem Kindergesicht war mit so großem Erfolg in die palästinensische Terrororganisation Hamas eingedrungen, dass Freidman der Verlockung nicht widerstehen konnte, mit Rosenthals Hilfe zurückzuschlagen. Eines Morgens deponierte Rosenthal eine Bombe in einer Mülltonne bei einem Straßencafé in Hebron, wo er sich am Nachmittag mit einigen Mitstreitern der Hamas zum Essen traf. Irgendwann während der Mahlzeit stand Rosenthal auf und ging auf die Toilette. Er hatte einen Kugelschreiber bei sich, mit dem sich auch die Bombe zünden ließ. Bevor er die Toilette verließ, drückte er den Kugelschreiber und warf ihn in den Müll. Die Bombe würde in genau zwanzig Sekunden hochgehen. Rosenthal ging an den Tisch zurück und setzte sich. Er hatte seinen Platz sorgfältig ausgewählt; zwischen ihm und der Bombe stand eine Palme in einem Blumenkübel aus Beton. Rosenthal zählte ganz ruhig die Sekunden herunter und beugte sich bei achtzehn hinunter, so als würde er etwas aufheben, was ihm hinuntergefallen war.
Die Explosion tötete drei der vier Männer, mit denen er beisammensaß, und zwei andere Gäste. Rosenthal kam mit einer schweren Gehirnerschütterung, mehreren Fleischwunden und einem Hörsturz davon. Die Tatsache, dass er bei dem Anschlag fast ums Leben gekommen wäre, erhöhte sein Ansehen innerhalb der Hamas beträchtlich.
Durch diese gewagte Operation gelang es ihm, in den innersten Kreis um den Hamas-Militärführer Yehya Ayyash vorzudringen. Fünf Monate später nahm er an einem Handy, das von den Technikern des Mossad präpariert worden war, einen Anruf für Ayyash entgegen. Er reichte ihm das Handy und ging weg. Auch diesmal hatte er einen Kugelschreiber bei sich; als er ihn drückte, explodierte die Sprengladung im Handy und tötete Ayyash auf der Stelle. Damit war Rosenthals verdeckte Arbeit in den besetzten Gebieten zu Ende; er war nun einer der meistgehassten Männer in der Region.
Freidman hatte ein besonderes Interesse daran, Rosenthal zu einem fähigen Killer auszubilden. Der Direktor des Mossad war 1972 in München gewesen, als das palästinensische Terrorkommando »Schwarzer September« während der Olympischen Spiele einen blutigen Anschlag auf die israelischen Athleten verübte. Zwei Sportler wurden auf der Stelle getötet und neun weitere als Geiseln genommen. Die Terroristen forderten die Freilassung von 234 Palästinensern aus israelischen Gefängnissen. Die damalige Ministerpräsidentin Golda Meir weigerte sich, auf die Forderung einzugehen, weil sie befürchtete, dass das Nachgeben fatale Folgen haben könnte. Nach einer fünftägigen Pattsituation setzten die deutschen Behörden schließlich auf dem Flughafen zum Sturm an, als die Terroristen die Geiseln in ein Flugzeug verfrachten wollten. Die Rettungsaktion hatte katastrophale Folgen; alle neun Geiseln kamen ebenso ums Leben wie fünf der acht Terroristen und ein Polizist. Was die Sache noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass die überlebenden Terroristen später wieder freigepresst wurden.
Nach diesem furchtbaren Vorfall schlug Israel eine härtere Linie gegen palästinensische Terroristen ein, und Ben Freidman gehörte zu den Leuten, die sich bei der Jagd auf die Drahtzieher des Schwarzen September besonders hervortaten. Sein Meisterstück lieferte Freidman am 13. April 1973 ab, als er einer Spezialeinheit von Mossad-Agenten und Sondereinsatzkräften der Armee angehörte, die mitten in Beirut drei namhafte PLO-Führer in ihren Häusern erschoss.
Nur zwei Monate nach diesem enormen Erfolg erlebte der Mossad jedoch eine seiner bittersten Stunden. Die Katastrophe ereignete sich in dem verschlafenen norwegischen Wintersportstädtchen Lillehammer. Ein Team von Mossad-Agenten wurde losgeschickt, nachdem man Informationen erhalten hatte, wonach der Terrorist Ali Hassan Salameh dort gesehen worden wäre. Die unerfahrene Gruppe tötete aus Versehen den marokkanischen Kellner Ahmed Boushiki. Als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, wurden auch noch sechs Mitglieder des Teams auf der Flucht gefasst. Die Männer und Frauen wurden vor Gericht gestellt, und fünf von ihnen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Es folgte ein weltweiter Aufschrei der Empörung, und der Mossad musste die gezielten Tötungen einstellen.
Doch inoffiziell machte man mit der Dreckarbeit weiter, und Ben Freidman war weiterhin einer der besten
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