Die Mächte des Feuers
finde, was einem britischen Museum gehört?«
»Das ist ein ungewöhnlicher Hort. Ich denke, dass sich der Drache die Kostbarkeiten direkt in Ägypten hat ausgraben und hierher schaffen lassen.« Arsenie rang mit sich. Man sah ihr an, dass sie den Sarkophag nur zu gern berühren würde. »Ich kenne kein Museum, das sich jemals brüsten konnte, derartige Ausstellungsstücke sein Eigen nennen zu dürfen.«
»Achten Sie auf Ihre Finger, Madame«, warnte Onslow sie und reichte Silena die Unterlagen.
»Danke für Ihre Sorge, lieber Onslow«, rief sie – und berührte das Gold mit sanfter Leidenschaft. »Aber Gessler ist nicht hier, also kann er mich nicht überführen.«
»Drachen riechen sehr gut, Madame Sàtra. Er ist in der Lage, Ihren Geruch auf dem Sarkophag zu entdecken«, merkte Silena beiläufig an. »Verabschieden Sie sich von Ihrer Hand.«
Die Französin fluchte und zog den Arm hastig zurück. Dann setzte sie an, die Stelle, an der sie das Gold angefasst hatte, mit dem Ärmel zu polieren.
»Keine gute Idee, Madame. Es wird den Geruch nur besser verteilen.« Silena blätterte weiter, bis sie die Abbildungen des Weltensteins gefunden hatte.
Wütend warf Arsenie ihr durchdringende Blicke zu. »Sie hätten mich vorher warnen können«, zischte sie.
»Hatte das nicht schon der Drache getan?«, retournierte sie süffisant und grinste. Sie freute sich über die Bredouille des Mediums. Eingehend betrachtete sie die Fotografien des Artefakts, die es aus verschiedenen Perspektiven zeigten. Die Aufnahme, auf der Europa abgebildet war, interessierte sie am meisten. Vielleicht fand sich dort ein Hinweis, wo genau der Ort lag, an dem der Weltenstein seine gesamte Macht entfaltete.
Und tatsächlich dachte sie, vor der Kanalküste Frankreichs einen Strich entdeckt zu haben. »Madame Sàtra, kommen Sie bitte zu mir.«
»Was gibt es denn?«
»Ich brauche Ihre Hilfe. Ich denke, dass ich etwas gefunden habe.«
Arsenie und Grigorij stellten sich hinter sie, und auch Onslow verdrehte den Kopf, um etwas erkennen zu können.
Silena tippte auf den Strich. »Es kann sein, dass es nichts weiter als eine Unaufmerksamkeit des Erschaffers des Weltensteins oder eine Beschädigung anstelle eines Hinweises ist, aber kennen Sie zufällig eine Burg, die im Meer liegt? An diesem Ort?«
Sie betrachtete die Stelle eingehend. »Schwierig. Die Aufnahme ist nicht gut, und die Gravuren sind verschwommen … Mont-Saint-Michel.«
»Saint Michael's Mount«, sagte Onslow gleichzeitig.
»Was?« Grigorij schaute zwischen ihr und dem Briten hin und her. »Meinen Sie beide das Gleiche?«
Arsenie rückte noch näher an das Bild heran. »Nein, wir meinen verschiedene Dinge. Es gibt auf der französischen Seite ein burgähnliches Kloster, den Mont-Saint-Michel. Er stammt aus dem zehnten Jahrhundert und ist wunderschön. Es ist nur über einen schmalen Damm zu erreichen, ansonsten liegt der Berg mitten im Meer.« Sie schaute zu Grigorij. »Man kann ihn durchaus mit einer Burg verwechseln, mein Lieber.«
»Allerdings gibt es auch auf der englischen Seite ein ähnliches Bauwerk, den Saint Michael's Mount«, ergänzte Onslow. »Ich glaube, er ist als Gegenstück von irgendeinem englischen König erbaut worden. Und auch diese Anlage gleicht einer Burg.«
»Verdammt!« Silena starrte auf den Strich. Über etwas mehr Eindeutigkeit hätte sie sich sehr gefreut. »Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten.«
»Dann schlage ich vor, dass wir beide Orte untersuchen.« Onslow sah in die Runde. »Ich examiniere zusammen mit Fürst Zadornov das englische Bauwerk, und unsere beiden Damen reisen nach Frankreich.«
»Gut. Wir geben dem Officium in München telefonisch Bescheid, welche Erkenntnisse wir vor Ort gesammelt haben«, legte Silena das weitere Vorgehen fest.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Großmeisterin, ziehe ich die Begleitung von Mister Skelton vor. Außerdem wollte ich schon immer nach England. Und zufälligerweise weiß ich, dass der liebe Grigorij hervorragend Französisch spricht.«
»Einverstanden«, stimmte Silena sofort zu. Ihr stand nicht der Sinn danach, eine längere Zeit alleine mit Madame Sàtra zu verbringen; da bedeutete der Russe das wesentlich kleinere Übel. Insgeheim freute sie sich sogar aus einem unerfindlichen Grund, dass es einen Bruch zwischen dem Medium und dem Hellseher gab. Skelton würde sich nicht von Arsenie aus der Ruhe bringen und sie keinesfalls mit dem Stein entkommen lassen. »Ich werde die Niederlassung des
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