Die Mächte des Feuers
sprechen.«
»Seien Sie ehrlich zu mir, Fürst. Ich habe deutlich vernommen, dass Sie sich mit ihr darüber unterhielten. Es geht dabei um mich – aber was genau hat es zu bedeuten?«
»Ach ja, es fällt mir wieder ein.« Er drückte sich unvermittelt in einen Hauseingang und zog sie am Ärmel mit sich. Zuerst dachte sie, es sei ein tollpatschiger Versuch, sie zu küssen. Silena hielt sich bereit, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Aber eine berittene Patrouille erschien, das Klappern der Hufe war durch den frisch gefallenen Schnee gedämpft worden; die Husaren ritten an ihnen vorbei, ohne dass sie bemerkt wurden.
Silena musterte den Russen. »Woher wussten Sie das?«
Er grinste und ließ sie los. »Nennen Sie es Vorahnung. Gelegentlich habe ich so etwas. Es wird mit meiner Gabe der Hellseherei in Verbindung stehen.«
»Von wem haben Sie diese Gabe erhalten?«
»Von Gott, Großmeisterin.« Er lugte um die Ecke und sah keine Gefahren mehr. »Wie Sie.« Er trat zurück auf die Straße und bedeutete ihr nachzukommen.
»Gott?« Sie humpelte los. »Rasputin war zwar ein Mönch, aber benommen hat er sich nicht so, wenn es stimmt, was man über ihn hört. Er hatte wohl eher etwas Dämonisches.«
»Aha, Sie kennen die Gerüchte über mich und meine Herkunft.« Er grinste. »Und ich werde den Teufel tun, zu widersprechen. Ein solcher Ruf ist gelegentlich von Vorteil.« Sie näherten sich dem Officium. »Aber da wir gerade bei unserer Herkunft sind: Bekomme ich jetzt eine Antwort?«
»Auf welche Frage?«
»Wie Ihre Kindheit oder zumindest die Ausbildung verlaufen ist. Ich bin sehr neugierig.«
Sie seufzte. »Ich kam als jüngstes Kind zur Welt und hatte zwei Brüder, wie Sie wissen. Das Erbe des heiligen Georg ist von meinem Vater an uns weitergegeben worden. Meinen Unterricht erhielt ich sowohl von meinen Eltern als auch vom Officium, und meine Lehrer entdeckten sehr früh, dass ich mich fürs Fliegen interessierte. Nach den ersten Flugstunden entschied das Officium, den Kampf gegen die Drachen fortan auch in der Luft fortzusetzen. Allerdings erwiesen sich nur die Nachfahren des heiligen Georg als lufttauglich. Zwei andere Heiligenlinien erlitten enorme Verluste und zogen sich zurück, um erst wieder für Nachwuchs zu sorgen.«
Sie bemerkte, dass er sie anschaute. »Wäre es nicht an Ihnen, ebenfalls Kinder zu bekommen, Großmeisterin?«
Silena blieb stehen. »Sie klingen wie der Erzbischof, Fürst. Und zudem finde ich die Frage alles andere als schicklich.«
»Verzeihen Sie mir. Ich sollte meine Gedanken besser für mich behalten. Fahren Sie fort, wenn Sie möchten.«
»Es gibt nichts mehr fortzufahren.« Sie hinkte weiter und biss die Zähne zusammen. Die Wunde pochte und brannte, es wurde Zeit für eine richtige Behandlung.
»Aber ich dachte, ich höre ein paar Besonderheiten über das Leben einer Drachentöterin.« Er bot ihr wieder den Arm an, aber dieses Mal lehnte sie ab. Bis zum Officium war es nicht mehr weit. »Ich meine, wie ist es, gegen einen Drachen ins Feld zu ziehen? Beginnen Sie dann zu leuchten, wenn das Heilige Sie durchfährt? Wie äußert sich das?«
Sie lachte. »Ah, Sie denken, dass himmlische Chöre erschallen, wenn ich meine Maschine im Sturzflug nach unten jage und auf einen der Teufel einschwenke?« Sie kicherte immer noch. »Eine lustige Vorstellung. Nein, das geschieht nicht. Etwas durchströmt mich, das mag sein. Es ist aber vielmehr das Jagdfieber, schätze ich.«
»Na, es muss schon etwas an Ihnen sein. Sonst könnte Ihre Aufgabe jeder einigermaßen exzellente Jagdpilot im Kaiserreich übernehmen. Nur an der Maschine kann es nicht liegen.« Sie hatten den Eingang des Officiums erreicht, und Grigorij ging voraus, um ihr die Tür aufzuhalten.
»Sie werden es bald selbst einschätzen können. Wir nehmen eines unserer Flugzeuge, um zum Mont-Saint-Michel zu kommen. Einen schnelleren Weg wird es kaum geben.« Sie nickte und schritt an ihm vorbei, um die Amtsstube zu betreten.
Ein Sekretär saß hinter einem zu niedrigen Schreibtisch, um ihn herum lagen drei Verletzte, zwei Männer und eine Frau, die verschiedene Wunden am Kopf, im Gesicht und am Oberkörper trugen. Er selbst fädelte einen Faden in eine Nadel und sah erschrocken auf. »Großmeisterin! Ich…«
Silena erfasste die Lage mit einem Blick. Einige Demonstranten hatten sich hierher geflüchtet und sich vor den Husaren des Kaisers verborgen. »Wenn Sie mit ihnen fertig sind, kommen Sie rüber ins Nebenzimmer«, befahl sie
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