Die Maechtigen
ziehe den Bleistift, den Präsident Wallace im SCIF zurückgelassen hat, aus der Hosentasche und lege ihn behutsam auf den Tisch.
75. Kapitel
Schnell wie eine Schlange greift Nico nach dem Bleistift des Präsidenten und legt ihn dann in seine Handfläche. Sein Blick gleitet hektisch darüber, während er jede Einzelheit aufsaugt.
Schließlich blickt er hoch. »Ich verstehe nicht …«
»Der Bleistift … die Einkerbungen«, sage ich. »Wir glauben, dass dort eine Nachricht versteckt ist.«
»Auf dem Bleistift?«, fragt er.
»Durch die Kerben«, antworte ich.
Wieder höre ich das Klappern hinter uns, als der nächste Patient eine Diät Dr. Pepper zieht.
Clementine zuckt zusammen, und Nico blinzelt stärker, als die Dose in den Schacht fällt. Aber Nico lässt den Bleistift nicht aus den Augen. Er hält ihn an beiden Enden und dreht ihn langsam wie die Spitzen eines Schnurrbartes in einem Cartoon. Er verschlingt jede Markierung, jede Furche, jedes Detail.
Schließlich blickt er hoch, schielt über den Bleistift hinweg.
»Sagen Sie mir, was dort mit unsichtbarer Tinte geschrieben stand.«
»Wie bitte?«
»Die Nachricht. In dem Wörterbuch. Ich möchte wissen, was dort stand. Ich möchte, dass Sie es mir sagen.«
»Nein, das ist völlig unmöglich.« Ich werfe einen Blick zu Clementine, die durch die transparente Tischplatte ihre eigenen Füße anstarrt. Lange hält sie nicht mehr durch. »So läuft das hier nicht, Nico … Für so etwas habe ich keine Zeit.«
»Dann habe ich auch keine Zeit für Sie«, erwidert Nico.
»Wie Sie wollen. Dann gehen wir eben. Und Sie können hier sitzen bleiben und zwei Jahre auf Ihren nächsten Besuch warten.« Ich stehe auf.
»Setzen Sie sich!«
»Sie haben hier nicht zu bestimmen«, erwidere ich.
»Setzen Sie sich«, wiederholt Nico, senkt das Kinn und bemüht sich, seine Stimme zu kontrollieren.
»Haben Sie mir nicht zugehört? Sie haben hier nichts zu bestimmen. Also sagen Sie mir, was auf dem Bleistift steht, oder erfreuen sie sich für den Rest des Nachmittags an Ihrem Orangensaft.«
Auch Clementine steht auf, um mit mir zusammen zu gehen.
Nico blickt zu dem leeren Stuhl hinüber und nickt ein paar Mal.
Ich hoffe, es ist ein guter Rat, den er sich da jetzt holt.
»Es steht nichts drauf«, ruft er heraus.
»Wie bitte?«
»Auf dem Bleistift«, sagt Nico. »Das ist keine Nachricht.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich kann sie sehen. Ich kann Muster sehen. Die Ärzte … sie haben mir gesagt, dass ich Dinge sehen kann, die andere nicht sehen. Gott hat mir diese Gabe verliehen«, meint er und blickt erneut zu dem leeren Stuhl. »Die Markierungen auf dem Bleistift … diese Kerben … es kehrt dort nichts wieder. Es gibt keinerlei Wiederholungen.«
»Also hat der Culperring damals nie alte Schnitzereien als Code benutzt?«, frage ich.
»Dies sind keine Schnitzereien. Das ist … gar nichts. Ich verstehe es nicht. Nun sagen Sie mir also, was dort mit der unsichtbaren Tinte geschrieben stand.«
Er sagt dies ganz sachlich, als könnte es darüber gar keine Diskussion geben.
Clementine und ich bleiben schweigend stehen.
»Ich weiß, dass Sie gekommen sind, damit ich Ihnen helfe«, sagt Nico. »Sie sind hier, weil Sie nicht weiterkommen. Ich kann Ihnen helfen …«
Er unterbricht sich.
Ich bin sicher, dass es ein Trick ist. Nico ist nicht listig. Er ist nicht raffiniert. Er ist durchgeknallt und benimmt sich wie ein großes Kind, das sich für die Reinkarnation von George Washington hält. Ich bin also sicher, dass er mich nur dazu verleiten will …
»Wobei können Sie mir helfen?«, frage ich. Ich bin zwar verärgert, aber doch so neugierig, dass ich beschließe, ein bisschen mitzuspielen.
Er schaut zum Schwesternzimmer hinüber und betrachtet den hell erleuchteten Raum. An einem eckigen Betonpfeiler in der Nähe hängt ein gedruckter Zettel mit den Worten:
Schön leise und immer gut gelaunt
»Nico, wie könnten Sie uns helfen?«
»Ich weiß über die Purple Hearts Bescheid«, erwidert Nico.
»Okay, das war’s. Diese Masche kommt bei mir nicht an!« Ich drehe mich um.
»Wohin gehen Sie?«
»Dies ist das gleiche Spielchen wie beim letzten Mal, Nico. Zuerst bieten Sie uns Ihre Hilfe an, und dann kommen Sie uns mit Ihren durchgeknallten Gespenstergeschichten.«
Zu meiner Überraschung hält Clementine mich am Handgelenk fest. »Was ist mit den Purple Hearts?«, erkundigt sie sich.
»Diese Orden. Die militärischen Orden. Wissen Sie, wer das
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