Die Maechtigen
wahr?«
Ich warte auf seine Antwort, aber diesmal bleibt es auf dem Rücksitz ruhig. Ich sehe wieder in den Rückspiegel. Unsere Blicke treffen sich.
»Mehr haben Sie nicht gewusst, oder?«, wiederhole ich meine Frage.
Dann bemerke ich jedoch seine glasigen, blutunterlaufenen Augen und verstehe. Die schlimmsten Lügen im Leben sind immer diejenigen, mit denen wir uns selbst täuschen.
»Sie wussten es …«, folgere ich. »Sie wussten, dass die Schwarze Acht hier ist.«
»Erst seit kurzem.«
»Wie kurz? Seit einer Woche? Einem Monat?«
Sein Gesicht wird leichenblass. »Ich habe mich selbst belogen, habe meine Seele getäuscht.«
»Wie lange?«, setze ich nach.
»Zwei Jahre«, flüstert er. »Zweieinhalb Jahre.« Sein Kopf sinkt noch tiefer herunter. Das Auto steht immer noch auf dem Parkplatz. Mein Blick zuckt erneut zur Lieferantenzufahrt hinüber. Keine Hilfe zu sehen. »Sie müssen das verstehen. Als ich es herausgefunden habe … als ich Palmiotti zu Rede stellte … Sie haben zugegeben, dass sie ihn hierher geschafft haben. Um ihn besser im Auge behalten zu können, um sich um ihn kümmern zu können. Aber ich war der Einzige, der ihn je besucht hat. Er musste es erfahren … Ich musste ihm sagen, was Wallace ihm angetan hatte. Ich habe das meinetwegen getan, nicht für das Allgemeinwohl oder so etwas. Nur für mich. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass Nico es mitbekommt«, setzt er atemlos hinzu. »Deswegen … auf dem Friedhof … als Sie sagten, dass Sie hierher fahren würden. Da wusste ich es. Ich wusste es sofort … Dies war meine Chance, es zu beenden. Tut mir leid, dass ich so schwach bin, Beecher … aber ich hätte das bereits tun sollen, als das alles anfing …«
Er hebt hinter meiner Schulter das Rasiermesser, um mich zu erledigen.
Aber dann sehe ich es im Rückspiegel.
Sie ist bereits blutüberströmt.
Ich greife mir an den Hals. Ich habe überhaupt nichts gespürt. In dem Moment fällt ihm das Messer aus der Hand und landet auf dem Vordersitz.
Sein ohnehin schon bleiches Gesicht wird jetzt fast transparent, und er sackt auf dem Rücksitz zusammen.
Mein Gott, hat jemand auf ihn geschossen?
Ich blicke hastig nach vorn, dann zur Seite. Alles in Ordnung. Dann drehe ich mich zu ihm herum. Auf dem Rücksitz … Überall ist Blut. Unglaublich viel Blut. Aber es ist nicht überall verspritzt, sondern eine kleine Lache. Auf dem Sitz … auf seinen Armen … Nein. Nicht die Arme …
Es kommt von seinen Handgelenken.
»Was haben Sie da getan?« Ich schreie ihn an.
»Sie hat bereits dafür gesühnt«, flüstert er keuchend. »Und jetzt bin ich an der Reihe.«
»Was zum Teufel haben Sie getan?«, wiederhole ich, während die rote Pfütze auf dem Rücksitz immer größer wird und auf den Boden rinnt. Da … Ich habe es vorher nicht gesehen. Seine Füße stehen in einer großen Blutlache, die den Teppich bereits durchtränkt. Alles ist rot … Er hat es gemacht, als wir miteinander sprachen. Er hat das Rasiermesser nicht nur angestarrt. Er hat es benutzt.
»Sagen Sie ihnen … sagen Sie ihnen, dass alles einen Preis hat.« Er wird gleich ohnmächtig. »Für jede Entscheidung im Leben muss man bezahlen.«
»Geben Sie mir Ihre Handgelenke … Ich kann die Blutungen stoppen«, fordere ich ihn auf.
»Sie verstehen nicht.« Er stottert zwar, krümmt sich aber nicht mehr vor Schmerz. Offenbar tut es nicht mehr weh. »Ich habe mich dreißig Jahre lang gefragt, warum sie an diesem Abend ausgerechnet in meinen Laden gestolpert sind. Sie hätten jeden anderen nehmen können. Aber es war genau wie bei diesen Mann aus Hiroshima, diesem Yamaguchi. Unser ganzes Leben lang glauben wir, dass die Geschichte eine zufällige Ansammlung von guten und schlechten Augenblicken ist. Aber dann denken Sie an Yamaguchi. Wenn die Geschichte Sie einmal am Wickel hat, dann … Sie entkommen ihr nicht, nicht auf diesem Planeten.«
Er sackt zur Seite, atmet immer schneller und fällt dann schwer gegen die Fondtür.
Ich stoße die Fahrertür auf und springe aus dem Wagen. Er braucht meine Hilfe, ganz gleich, was ich von ihm halte. Aber als ich draußen bin und nach seiner Tür greifen will, stoße ich fast mit einem Mann zusammen, der gerade an dem Wagen angekommen ist und sich mir jetzt in den Weg stellt.
Ich weiß, dass er Freigang hat. Er ist einfach nur den Weg zurückgegangen, den er gekommen ist. Zu dem Parkplatz gegenüber von seinem Gebäude.
»Schauen Sie nicht so ängstlich drein, Benjamin«, meint
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