Die Maechtigen
jetzt darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass sowohl Orsons Kleidung als auch die von Palmiotti fast vollkommen sauber war. Aber hier hinten im Van …
Die Front von Minnies Lederjacke … ihr Hals … selbst ihr T-Shirt … alles war wie von einem feinen Sprühnebel aus Blut überzogen.
So etwas passiert, wenn man etwas Weiches trifft. Mit einem Baseballschläger.
Minnie zupfte immer noch an dem mit Blut getränkten Teppich und sagte kein Wort.
Tatsächlich dauerte es noch zehn Minuten, bis ihr endlich die Tränen kamen. Sie schluchzte gequält, fast wie ein verletzter Hund. Aber in dem Moment kam ihr Bruder aus der Notaufnahme, ging durch den Regen zu ihnen und überbrachte ihnen die Nachricht: Die Schwarze Acht war tot.
92. Kapitel
»Sie wissen nicht, wie schwer mir das hier fällt«, erklärt der Mann mit dem Rasiermesser in der Hand, der direkt hinter mir auf dem Rücksitz des Autos sitzt.
»Hören Sie«, flehe ich ihn an. »Es gibt keinen Grund …«
»Beecher, ich habe Sie bereits zweimal darum gebeten. Bitte legen Sie Ihr Telefon weg.«
»Ich habe es ja weggelegt«, behaupte ich. Dass ich die Verbindung nicht unterbrochen habe, muss ich ihm ja nicht auf die Nase binden. Wenn ich Glück habe, hört Dallas jedes Wort mit. »Könnten Sie bitte … würden Sie das Rasiermesser wegnehmen?«
Im Rückspiegel sieht es aus, als würde der Mann kaum reagieren, aber das Messer verschwindet hinter meiner Kopfstütze. Er rutscht immer noch unruhig auf dem Sitz hin und her und ist mir jetzt so nah, dass ich höre, wie er durch die Nase atmet. Offenbar ist er panisch und versucht, eine Entscheidung zu treffen.
»Es tut mir leid, dass Sie ihn gefunden haben«, sagt der Mann. »Deswegen sind Sie jetzt so atemlos. Sie sind gerannt, stimmt’s? Sie haben ihn gesehen, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Ich war wegen eines Notizheftes hier, das ich …«
»Bitte machen Sie das nicht. Ich bin schließlich auch ehrlich zu Ihnen.« Er klingt irgendwie beleidigt, während er nach unten blickt. Etwas drückt gegen meinen Rücken. Es müssen seine Knie sein. Er stampft wütend mit den Füßen auf den Boden, so fest, dass das ganze Auto erzittert. Was er auch immer vorhat, es scheint ihn sehr zu belasten. »Mir ist klar, dass es vorbei ist, Beecher. Ich weiß, dass Sie Griffin gesehen haben.«
»Sie dürfen nicht glauben, dass ich … mit dieser Erpressung zu tun habe«, sage ich ihm. »Ich schwöre Ihnen, Clementine ist …«
»Sie kennen die Rollenverteilung. Sie wissen genau, wer das hier gemacht hat. Und was den Kampf angeht, auf den Sie sich eingelassen haben … Das arme Mädchen ist genauso tot wie Sie.«
Das ist jetzt schon das zweite Mal innerhalb von zwei Tagen, dass jemand so tut, als wäre mein unmittelbarer Tod unausweichlich. Das geht mir langsam auf die Nerven.
Der Mann mit dem Rasiermesser hinter mir beugt sich immer noch nach vorne und stützt die Ellbogen auf seine wippenden Knie. Er atmet wieder laut durch die Nase. Es wird nicht leichter für ihn. »Sie kennen sich doch mit Geschichte aus, Beecher?« Bevor ich antworten kann, fährt er fort: »Haben Sie schon einmal von jemandem namens Tsutomu Yamaguchi gehört?«
Ich schüttle den Kopf, mein Blick gleitet über den Parkplatz, ich suche einen Wachmann … einen Krankenpfleger … irgendjemanden, der helfen könnte. Es ist niemand in Sicht.
»Sie haben wirklich noch nie von ihm gehört? Tsutomu Yamaguchi?«, wiederholt er. Jetzt endlich erkenne ich seinen Akzent. Er ist tonlos, Mittlerer Westen. Genau wie der Präsident. »1945 war dieser Mann in der Schiffsindustrie beschäftigt. In Japan. Wissen Sie, was 1945 in Japan passiert ist?«
»Bitte … worum es auch immer hier geht. Sie können mich gehen lassen. Niemand wird etwas erfahren. Sie können sagen, dass ich …«
»Hiroshima. Können Sie sich das vorstellen? Am 6. August 1945 schickt ihn seine Firma ausgerechnet nach Hiroshima in genau dem Augenblick, als unser B-29-Bomber die Atombombe abwirft«, fährt er fort, als sei ich überhaupt nicht anwesend. »Aber jetzt kommt die Pointe. Yamaguchi überlebt. Er erleidet schwerste Verbrennungen, verbringt die Nacht in der vernichteten Stadt und eilt am nächsten Morgen nach Hause. Können Sie sich denken, wo das ist?«
Ich antworte nicht.
»Nagasaki. Dort fällt die zweite Bombe drei Tage später. Und unvorstellbarerweise überlebt Yamaguchi auch das. Gesegnet von Gott, stimmt’s? 140 000 Menschen sterben in Hiroshima,
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