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Die Maechtigen

Titel: Die Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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vorne.
    »Willst du nicht nachschauen, ob das Buch aus unserer Sammlung stammt?«, rufe ich ihm zu und will die mittlere Schublade meines Schreibtisches mit dem Schlüssel öffnen. Zu meiner Überraschung ist sie bereits aufgeschlossen. Ich denke einen Augenblick darüber nach, dann fahre ich meinen Computer hoch. Bei all dem Durcheinander könnte ich gestern Abend durchaus vergessen haben, die Schublade abzuschließen. Doch dann wandern meine Gedanken zurück zu meiner ebenfalls unverschlossenen Haustür …
    »Versuch du deine Zaubertricks, ich halt mich an meine eigenen«, erwidert Totte. Ich höre, wie er eine Metallschublade öffnet. Totte hat einen ziemlich großen Arbeitsbereich mit einer Wand aus sechs großen Aktenschränken und einem Haufen von Bücherstapeln; die meisten Bücher handeln von Abraham Lincoln, seinem Spezialgebiet. Außerdem hat er ein großes Fenster mit Blick auf die Pennsylvania Avenue und das Marinedenkmal.
    Mein Verschlag ist winzig; ein Tisch, ein Computer und eine Wandtafel aus Kork mit den besten Druckfehlern aus der Geschichte, dazu gehört auch ein Bibelzitat aus dem Jahr 1631: »Ihr sollt Ehebruch begehen«, sowie der ersten Ausgabe einer Tratschkolumne aus der Washington Post von 1915, in der es heißen sollte: Präsident Woodrow Wilson »verbrachte den Abend damit, sich mit Mrs. Galt zu unterhalten«, einer Witwe, der er den Hof machte. Daraus wurde jedoch: »Der Präsident verbrachte den Abend damit, sich in Mrs. Galt zu unterhalten.« Man muss schon ein sammelwütiger Mensch sein, um diesen Job zu bekommen. Aber da unsere Sammlung zehn Milliarden Seiten umfasst, muss man auch ein wenig wie ein Lumpensammler sein.
    Sobald mein Computer hochgefahren ist, schnappe ich mir das Keyboard. Ich bin bereit. Da klingelt das Handy in meiner Hosentasche. Ich weiß, wer es ist. Pünktlich wie immer. »Hi, Mom«, antworte ich, ohne einen Blick auf das Display zu werfen. Seit ihrer Herzoperation ruft meine Mutter mich jeden Morgen an, damit ich weiß, dass es ihr gut geht. Aber als ich das Telefon ans Ohr halte, höre ich nicht die Stimme meiner Mutter.
    »Es geht ihr gut«, informiert meine Schwester Sharon mich. »Sie ist nur etwas müde.«
    Ich habe zwei Schwestern. Sharon ist die ältere und hat auch das Haus nie verlassen, nicht einmal, als sie aufs College gegangen ist. Jetzt hält sie die Familie zusammen. Sie sieht aus wie meine Mutter. Sie klingt wie meine Mutter. Und in letzter Zeit verbringt sie einen großen Teil ihres Lebens damit, sich um die Gesundheit unserer Mutter zu kümmern.
    Ich schicke alle zwei Wochen einen Scheck nach Hause. Aber Sharon nimmt sich Zeit für Mutter.
    »Fragst du sie, ob sie zu Jumbo’s geht?« Das Lieblingsrestaurant meiner Mutter ist mein bevorzugtes Kodewort. Wenn Mama dort heute zu Mittag isst, dann geht es ihr gut.
    »Ja, das tut sie«, antwortet Sharon. »Und sie möchte wissen, wo du Freitagabend hingehst«, setzt sie hinzu. Das ist Moms liebstes Kodewort. Es interessiert sie nicht, wohin ich gehe, nicht einmal, ob ich überhaupt ausgehe. Sie will nur eines wissen: Habe ich endlich eine Verabredung? Und, was noch wichtiger ist: Bin ich endlich über Iris hinweg?
    »Sag ihr bitte, dass es mir gut geht«, bitte ich meine Schwester inständig.
    »Beecher, wie geht es deinem siebzigjährigen Freund?«
    »Du musst gerade schwätzen, hm? Außerdem hast du Totte nie kennengelernt.«
    »Ich bin sicher, er ist entzückend, aber ich sage dir eines aus eigener Erfahrung: Wenn du dein Leben nicht änderst, wirst du eines Tages genauso werden. Alt und liebenswürdig und einsam. Hör auf mich, was das angeht. Versteck dich nicht in diesen Archiven, Beecher. Du musst dein Leben leben.«
    »Streite ich mich jetzt mit dir oder mit Mutter?«
    Bevor sie antworten kann, fällt mein Blick auf mein Tischtelefon. Das Lämpchen blinkt rot. Es ist eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.
    »Ich glaube, ich habe da etwas für dich, alter Junge!«, ruft mir Totte von seinem Schreibtisch aus zu.
    »Sharon, ich muss Schluss machen. Gib Mama einen Kuss von mir.« Ich beende das Gespräch und gebe schon den Pincode für den Anrufbeantworter ein.
    Während ich auf die Nachricht warte, sehe ich auf dem kleinen Display nach, wer der Anrufer war.
    Williams, Orlando.
    Mir bleibt fast das Herz stehen.
    Ich sehe noch einmal hin. Orlando. Williams.
    Mein Computer ist hochgefahren. Im Hintergrund ruft Totte etwas.
    »Nachricht Nummer eins; empfangen gestern um 16:58 Uhr.«
    Dann höre

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