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Die Maechtigen

Titel: Die Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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ich im Lautsprecher des Telefons einen bekannten Bariton, Orlandos Stimme. Die letzten Worte eines Toten.
     

19. Kapitel
    »Wo würdest du die Schmerzen auf einer Skala von eins bis zehn einordnen?«, fragte Palmiotti.
    »Sie liegen etwa bei vier«, antwortete der Präsident.
    »Nur bei vier?«
    »Sie lagen bei vier. Jetzt sind sie auf acht gestiegen«, verbesserte sich Wallace und marschierte an der Wand des Büros auf und ab. Dabei blickte er aus dem breiten Fenster, das diese beeindruckende Aussicht auf den Rosengarten des Weißen Hauses gewährte. »Und sie nähern sich rapide der Neun.«
    »Wofür steht die Neun?«, erkundigte sich seine Schwester Minnie besorgt. Der Doktor sprach zwar mit dem Präsidenten, tatsächlich jedoch untersuchte er Minnie, die gegenüber von Palmiotti stand.
    Sie hielt ihre rechte Hand weit geöffnet, während er in jeden Finger mit einer sterilisierten Nadel stach, um die Reaktion zu überprüfen. Wenn Sie ihre Therapie zu oft schwänzte, erzeugte der Stich mit der spitzen Nadel nur ein taubes Gefühl. »Was ist los mit ihm?«, fragte sie und deutete auf ihren Bruder.
    »Nichts ist los«, beruhigte Palmiotti sie.
    »Wenn er krank ist …«
    »Ich bin nicht krank. Ich habe nur ein paar dumme Rückenprobleme«, beharrte der Präsident. »Und außerdem habe ich heute Nacht wirklich mies geschlafen.«
    »Hör zu, ich weiß, dass sie das nicht auf den Titelseiten der Zeitungen verkünden, aber du sollst es hören: Ich vertraue dir. Stewie vertraut dir. Deine Frau und deine Kinder vertrauen dir. Und Millionen von Menschen dort draußen vertrauen dir ebenfalls. Das weißt du doch, oder?«
    Der Präsident drehte sich um, sah seine Schwester an und sog ihre Worte förmlich auf.
    Palmiotti wusste, wie sehr Minnie ihren Bruder liebte. Und wie sehr Wallace auch sie liebte. Trotzdem war es nicht immer ratsam für ihn, sie ständig um sich zu haben. Inzwischen wusste ganz Amerika, dass Minnie mit einer Krankheit geboren war, die man das Turner-Syndrom nannte. Und die nur Frauen traf, denen ein X-Chromosom fehlt. Und auch, dass achtundneunzig Prozent dieser Frauen daran starben, Minnie jedoch lebte. Und sie lebte ohne die Herz- oder Nierenprobleme, die damit verbunden waren, und auch ohne die Wahrnehmungsstörungen. Tatsächlich zeigte Minnie nur ein Symptom des Turner-Syndroms, sie war, wie einige daran Erkrankte auch, abgrundtief hässlich.
    Breite Brust. Tiefer Haaransatz. Kurzer Hals. Ohne X-Chromosom sah sie aus wie Moe aus den Three Stooges . Perez Hilton hatte einmal gesagt, wenn sie einer der sieben Zwerge wäre, wäre sie der zu kurz geratene, der Untersetzte. Der Dicke. Der Unförmige. Als es im Netz auftauchte, hatte sich der Präsident alle Mühe gegeben, es einfach an sich abperlen zu lassen. Er ließ verlauten, er wäre der Brummbär in der Familie. Aber Palmiotti kannte die Wahrheit. Nichts trifft einen härter als ein Schlag, der wirklich ins Schwarze trifft. Einen solchen Schmerz hatte er bei den beiden zuletzt in der Nacht des Unfalls beobachtet, der den Schlaganfall auslöste.
    Das Schlimmste war, dass er gerade jetzt die Vorzeichen eines ähnlichen Schmerzes beobachten konnte; und wenn er das angespannte Gesicht des Präsidenten sah, dann fing dieser Schmerz gerade erst an zu wuchern, trotz der aufmunternden Worte seiner Schwester.
    »Minnie, du solltest jetzt zu deiner Therapie gehen«, befahl Palmiotti.
    »Ich kann sie doch hier machen. Du hast doch die Bälle …«
    »Mimo, du hörst nicht zu«, unterbrach sie der Präsident. »Ich will jetzt mit meinem Arzt sprechen. Und zwar unter vier Augen.«
    Minnie legte den Kopf auf die Seite. Diesen Ton kannte sie sehr gut. Sie nahm ihren Flamingogehstock und machte sich auf den Weg zur Tür.
    »Bevor ich gehe …«, erklärte sie dann noch rasch, »wenn du vielleicht ein paar Worte auf unserer Pflegekonferenz sagen könntest …«
    »Minnie …«
    »Schon gut, okay. Gabriel – ich rede mit Gabriel«, sagte sie. »Aber versprich mir eins: diese Sache mit den Rückenproblemen; ist wirklich alles in Ordnung?«
    »Schau mich an«, sagte Wallace und ließ sein Instant-Lächeln aufblitzen, das ihm vierundfünfzig Prozent der Wählerstimmen eingebracht hatte. »Sieh dir an, wo ich lebe … schau dir mein Leben an … worüber sollte ich mir schon Sorgen machen müssen?«
    Weil sie so stark hinkte, brauchte Minnie fast eine Minute, bis sie das Büro verlassen hatte.
    Der Präsident wartete, bis sie draußen war.
     

20.

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