Die Maechtigen
aufgewühlt und versuche, mein Gleichgewicht wiederzufinden. Es kommt aber nicht. Ich umklammere den Telefonhörer so fest, dass mir der Schweiß von der Faust erst über das Handgelenk und dann in mein Uhrenarmband strömt.
Jetzt bemerke ich, dass Totte mir den Kopf zugewendet hat und mich mit seinem guten Auge beobachtet. Wenn er gehört hat …
Er starrt mich direkt an.
Natürlich hat er es gehört.
Ich warte auf sein Urteil, darauf, dass er mich warnt, mir einschärft, Orlandos Nachricht unbedingt zu vernichten.
»Du musst diese Sache nicht alleine durchstehen, Beecher.«
»Doch, eigentlich schon«, widerspreche ich und höre ein Piepen auf der anderen Leitung. Ich schaue auf die Anzeige: Security. Ich nehme nicht ab. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist Khazei, der mich mit Fragen wegen Orlandos Tod löchert. Stattdessen leite ich Orlandos Nachricht auf mein Handy weiter und lösche sie vom Anrufbeantworter.
Totte schüttelt den Kopf. »Ich sage dir, du musst das nicht alleine durchstehen. Das musst du mir glauben.«
»Ist ja gut – ich weiß es zu schätzen, wenn jemand nett zu mir ist, Totte, aber ich bin … ich glaube, ich schaffe das nicht.«
»Was?«
»Dies alles. Alten Büchern nachzuspüren, die für Präsidenten versteckt wurden … den Spion zu spielen … sich schuldig fühlen und unheimliche Nachrichten von Toten zu bekommen …«
»Schuld? Wovon sprichst du?«
»Hast du Orlandos Nachricht nicht gehört? Wenn er sagt ›Was du getan hast …‹ – ob es nun eine Herzattacke war oder Mord; genauso gut hätte er hinzufügen können, ›… als du meinen Tod verschuldet hast.‹ «
»Du glaubst wirklich, Orlando hat dich angerufen, um dich zu beschimpfen?«
»Was soll ich sonst davon halten?«
Totte zwirbelt mit Zeigefinger und Daumen an ein paar hervorstehenden Haaren seines Druidenbartes, während er das ausgeschlachtete Exemplar von Entick’s Dictionary betrachtet. »Vielleicht hat er sich gewundert, dass du es gefunden hast. Oder ihm sind erst anschließend die Konsequenzen bewusst geworden: Was du getan hast … « Er senkt die Stimme in dem Versuch, Orlando nachzuahmen. »… du hast gerade etwas entdeckt, von dessen Existenz niemand etwas wusste. Präsident Wallace war … nur der liebe Gott weiß, was er damit vorhatte, aber du hast es gefunden, Beecher. Du bist ein Held. «
»Ein Held? Weswegen? Weil ich Kaffee verschüttet habe? Weil ich ein Mädchen aus meiner Highschool beeindrucken wollte, in der Hoffnung, dadurch endlich über meine Verlobte hinwegzukommen? Also wirklich, Totte. Ich bin heute Morgen aufgewacht, und meine Füße waren schweißnass … nenne mir nur einen einzigen Helden mit schweißgebadeten Füßen …«
Ich warte auf seine Antwort. Vielleicht holt er ja irgendeinen Historikerwitz aus der Versenkung oder erzählt mir, dass Teddy Roosevelt auch Schweißfüße hatte, aber nein. Totte sitzt nur stumm da und zwirbelt seinen Bart.
Mein Telefon klingelt. Wieder zeigt das Display Security. Und wie zuvor nehme ich nicht ab.
Totte nickt und atmet geräuschvoll durch die Nase ein. »Beecher, weißt du, was das Schönste an diesem Job ist? Für mich ist es dieses Stück Papier hier«, sagt er, nimmt irgendein Blatt Papier von seinem Tisch und wedelt damit wie mit einem Fächer hin und her. »Dieses Blatt Papier ist jahrelang einfach nur ein Teil unserer Sammlung, richtig? Doch dann schreiben wir den 11. September, und plötzlich ist dieses Blatt Papier das lebenswichtigste Dokument der amerikanischen Regierung. « Er lässt das Papier zurück auf meinen Schreibtisch flattern. »Und wir sind dazu da, genau das zu bezeugen, Beecher. Wir bezeugen es, und wir beschützen es. Wir sind die Verwalter dieser Papiere, mit deren Hilfe eines Tages Geschichte geschrieben wird.«
»Totte, ich glaube, du übertreibst die Bedeutung dieses Blatt Papiers ein wenig.«
»Du hörst mir nicht zu. Es geht nicht nur um Papier. Denn dasselbe gilt auch für Menschen. «
Auf der anderen Seite des Büros wird eine Tür geöffnet und ein Magnet an der Pinnwand befestigt. Ich recke den Kopf wie das Periskop eines U-Bootes und spähe über die Kabinenwände hinweg zur Tür. Es ist meine Kollegin Rina, die mir ein warmherziges Lächeln à la Mona Lisa zuwirft. Ziemlich überraschend, wenn man bedenkt, wie schlecht gelaunt sie gestern war, weil sie in unserer internen Bewertung nur den zweiten Platz geschafft hatte.
»Geht’s Ihnen gut?«, fragt Rina.
»Wie?«
»Ich meine
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