Die Maechtigen
dachte, wir wären gar nicht sicher, dass das Exemplar, das wir im …«, ich senke meine Stimme, »SCIF gefunden haben, aus unserer Sammlung stammt.«
»Ich frage dich noch mal: Hörst du mir eigentlich zu? Wo, glaubst du, war ich wohl in der letzten halben Stunde? Ich bin runtergegangen und hab mir Gyrichs Karren geschnappt. Er hat sich zwölf Bücher reservieren lassen, aber, welcher Zufall, es stehen nur elf auf seinem Wagen. Und was meinst du wohl, welches Buch fehlt, hm? Ganz genau, das Exemplar von Entick’s Dictionary. «
»Ich weiß nicht. Heißt das denn unbedingt, dass das Exemplar des Archivs und unser ramponiertes Buch ein und dasselbe sind?« Ich schaue durch die Fenster der automatischen Türen. Draußen an der Straße hält Clementine gerade ein Taxi an. »Unser Exemplar enthält keinerlei Informationen, keinen Stempel, selbst die meisten Seiten fehlen«, sage ich. »Würde das Archiv wirklich ein Buch behalten, das so ramponiert ist, und vor allem, es immer wieder ausleihen?«
»Das stimmt, aber das können wir ganz einfach überprüfen«, erklärt Totte. »Nur ändert das nichts an der Tatsache, dass vierzehn Wochen lang jedes Mal, wenn Präsident Wallace hierhergekommen ist, Gyrich dieses Wörterbuch anfordert, es reserviert und damit dem Zugriff anderer entzieht. Wenn das zweimal passiert, nenne ich das einen albernen Zufall. Dreimal? Einen ziemlich eigenartigen Zufall. Aber vierzehn Mal in vierzehn Wochen?« Er senkt die Stimme. »Da steckt ein Plan dahinter.«
Er hat recht. Totte hat immer recht. Aber als Clementine ins Taxi steigt, spüre ich ein ganz neues und überraschendes Gefühl in meiner Brust.
Seit dem Augenblick zwischen uns gestern betrachte ich Clementine mit einer sprühenden Heiterkeit, die ein klares Anzeichen von Verliebtheit ist. Doch jetzt sehe ich zum ersten Mal nicht das, was ich sehen will. Ich sehe, was meine alte Freundin braucht.
Die Tür des Taxis schlägt zu.
»Totte, du musst mir dein Auto leihen.«
»Ich habe ein schönes Auto. Das soll auch so bleiben, deshalb fährst du damit nirgendwohin. Wovon genau sprichst du überhaupt?«
»Ich muss dringend etwas erledigen.«
»Allerdings, und zwar musst du hier raufkommen, damit wir diesen Gyrich suchen und herausfinden, was hier wirklich vor sich geht.«
»Das werde ich. Unmittelbar nachdem ich dies erledigt habe.«
Einen Augenblick herrscht Ruhe im Hörer. »Du benimmst dich wie üblich sehr dumm, Beecher. Und außerdem ziemlich rücksichtslos, wenn man bedenkt, dass du meine Zeit damit verschwendest, hinter einem Mädchen herzujagen.«
»Ich jage keinem Mädchen hinterher.«
»Dann willst du also nicht ins St.-Elizabeth-Krankenhaus?«, erkundigt er sich.
Ich überlege und suche nach der perfekten Lüge. »Also gut. Ich fahre ins St. Elizabeth. Es ist nicht weit von hier entfernt.«
»Beecher …«
»Du vergisst etwas, Totte. Du vergisst, dass wir zu dritt in diesem Raum waren. Sie war bei mir … wenn also mein Leben in Gefahr ist, dann gilt das auch für das ihre.«
»Das weißt du nicht.«
»Das weiß ich ganz genau … und als wir das letzte Mal jemanden, der ebenfalls in diesem Raum gewesen ist, aus den Augen verloren haben, hat er das mit seinem Leben bezahlt. Ich spreche von Orlando. Außerdem hast du mir gesagt, ich sollte sie im Auge behalten, weil es ja wohl kaum ein Zufall gewesen sein könnte, dass sie genau in dem Augenblick aufgetaucht wäre, als die Sache ins Rollen kam. Also, das hier ist die Gelegenheit für mich, um herauszufinden, was hier wirklich abläuft. Außerdem macht sie gerade wahrscheinlich einen der härtesten Momente ihres Lebens durch. Wie sollte ich sie da allein lassen?«
Wieder antwortet mir eine längere Pause am Telefon. Mein letzter Satz gibt ihm zu denken. Als Tottes Frau starb, hat er erlebt, was es bedeutet, in so einem furchtbaren Augenblick allein zu sein.
»Ich nehme an, das heißt, ich kann dein Auto haben?«, frage ich.
»Also gut.« Er seufzt. »Wir sind alle verrückt.«
Vierundzwanzig Minuten und vierzehn Sekunden später schlage ich das Lenkrad des taubenblauen 66er Mustang scharf nach rechts ein und fahre zu dem kleinen Wachhaus hinter dem schwarzen Eisengitter.
»Willkommen im St. Elizabeth«, sagt der Wachmann mit den spröden Lippen und dreht sein Radio leise. »Besucher oder Anlieferung?«
»Genau genommen möchte ich jemanden abholen«, erwidere ich.
25. Kapitel
Jeder Friseur hat einen Haarschnitt in seinem Leben gemacht, an den er sich
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