Die Mädchen (German Edition)
sein Bett im Krankenhaus gesetzt und ihn aufgeklärt. Er
hatte ihm gesagt, dass er unschuldig im Gefängnis gesessen hatte, für den Fall,
dass er es wirklich nicht gewusst hatte. Er hatte ihm auch gesagt, dass seine
damalige Freundin den Mord
an
Stella
begangen hatte und auch für den Mord an Sina Keller verantwortlich
war.
Doreen hatte ein paar
DNA-Tests veranlasst, die
Birthe
Retzlaffs Schuld an Stellas Tod
bewiesen,
weil die Parallelen zu dem aktuellen Fall ihr keine
Ruhe gelassen hatten, und er war ihr unendlich dankbar dafür.
Er
Und er
hatte ihm
außerdem
erzählt, dass er trotz allem seinem
Vater nicht völlig egal gewesen war, denn er hatte ihm eine Menge Geld
hinterlassen. Er hatte keine Ahnung, ob Christopher in seinem Zustand auch nur
eine Silbe von dem mitbekam, was er ihm vorbetete, aber er hatte das Gefühl,
dass er es ihm schuldig war.
Timo seufzte und wischte sich über
die Augen. So herzlos das auch klang, aber das Leben ging weiter und für ihn
gab es noch ein paar Dinge, die er tun musste, ehe er zur Tagesordnung übergehen
konnte. Warum nicht gleich damit anfangen? Die erste Station war seine Mutter.
Er hatte lange darüber nachgedacht, was er tun sollte, und schließlich war er
zu dem Schluss gekommen, dass sie die Wahrheit verdiente. Sie war stark genug,
dass sie die Nachricht verkraften würde, dessen war er sicher, und er wollte
nicht länger mit dieser Mauer zwischen ihnen leben, die er nicht zu
verantworten hatte. So rief er sie kurzerhand an und sagte ihr, dass er gleich
bei ihr sein würde.
Zehn Minuten später stand er vor
der Tür seines Elternhauses in der Goerdelerstraße und wartete, dass seine
Mutter ihm öffnete. Es dauerte keine Minute.
„Komm herein“, sagte sie.
Er folgte ihr ins Wohnzimmer, in
dem der Kamin brannte und eine gemütliche Wärme erzeugte.
„Willst du dich gar nicht
ausziehen?“ fragte sie mit einem Blick auf seine dicke Kapuzenjacke.
Er pellte sich aus der Jacke und
legte sie über einen der Sessel vor dem Kamin. „Ich muss mit dir sprechen.“
Sie musterte ihn nachdenklich und
nickte. „Das sagtest du schon am Telefon.“
Er sah seine Mutter an. Sie hatte
ihre Haare vor kurzem schneiden lassen und etwas rötliche Farbe ins Spiel
gebracht, was sie um fünf Jahre jünger machte. Sie war zurecht gemacht und trug
ein helles Kostüm, das er an ihr noch nie gesehen hatte. Sie hatte abgenommen,
aber es stand ihr. Wenn er angenommen hatte, dass sein Vaters Tod sie zerbrechlich
machen würde, wurde er eines Besseren belehrt. Sie machte nicht den Eindruck,
als hätte sie mit ihrem Leben abgeschlossen. Er war sicher, dass sie nicht
zusammenbrechen würde, wenn er jetzt auspackte.
Er holte einmal tief Luft. „Ich
möchte, dass es wieder so wie früher wird zwischen uns.“
„Ich weiß nicht, wovon du
sprichst.“
War ja klar. „Ich spreche von de
r Nacht
m Tag im Krankenhaus.“
„Und?“
Sie wollte es ihm schwer machen.
Warum war sie so unfair? Er war es nicht, der darauf bestanden hatte, sie im unklaren
zu lassen.
„Vielleicht ist es besser, du setzt
dich.“
Sie machte eine wegwerfende
Handbewegung. „Mach dir um mich keine Sorgen. Also?“
Er zuckte mit den Achseln. Wenn sie
es denn so wollte… „Vater hat mir gesagt, dass es da einen unehelichen Sohn gibt.“
Er hatte mit allem gerechnet, mit
Tränen und Schluchzen, einem Zusammenbruch oder mit einem Wutausbruch. Er hätte
fast gewettet, dass sie sich theatralisch ans Herz fassen und in sich zusammensacken
würde, doch nichts dergleichen geschah.
„ Das war es? Das hat
er dir gesagt?“
Er starrte sie an und verstand. „Du
hast es gewusst.“
Sie verschränkte die Arme vor der
Brust. „Natürlich“, sagte sie ungerührt, während ein leichtes Lächeln ihre
Lippen umspielte.
„Seit wann?“
„Von Anfang an.“
„Was?“ Ihm fiel alles aus dem
Gesicht.
Seine Mutter setzte sich auf den
anderen Ledersessel und goss sich eine Tasse Kaffee ein. Erst jetzt sah er,
dass sie den Marmortisch für sie beide für ein Frühstück gedeckt hatte. Es war
das gute Service, englische Rose, ein Erbstück ihrer Mutter, und in dem
geflochtenen Brotkorb befanden sich ein paar Croissants und Brötchen. Etwas
Aufschnitt, Käse, Marmelade und Butter hatte sie außerdem auf zwei Tellern
arrangiert.
„Möchtest du auch?“
Er schüttelte den Kopf und ließ
sich auf den anderen Sessel fallen, auf dem er zuvor seine Jacke abgelegt
hatte. Er hätte nichts runterwürgen können, fassungslos wie er
Weitere Kostenlose Bücher