Die Mädchenwiese
Kleider mit Blut und Innereien verschmiert. Er hob Gizmo auf. In der Lobby fiel sein Blick in das trübe Spiegelglas. Leblos hing der Retriever zwischen seinen Armen, die Pfoten und der Kopf baumelten herab. Er sah sein Gesicht und stellte fest, dass er geweint hatte. Er hatte es nicht bemerkt. Er fühlte sich leer, biss jedoch die Zähne aufeinander und schleppte sich zum Wagen.
Ein paar Jugendliche gingen vorüber. Ihr Gegröle verstummte beim Anblick des blutüberströmten Mannes und des toten Hundes. Zwei ältere Frauen, die in ihrem Wagen vorbeifuhren, rissen die Augen auf.
Alex legte den Hund auf die Rückbank und fuhr los. Diesmal hielt er sich auf den Landstraßen Richtung Finkenwerda. Auf der Autobahn wäre die Wahrscheinlichkeit zu hoch, einer Polizeistreife zu begegnen. Eine Erklärung für den Zustand des Peugeots würde ihm noch einfallen, nicht aber für seine blutgetränkte Kleidung und den gepfählten Hund. Alex trat auf die Bremse, öffnete die Tür und erbrach sich auf den Asphalt. Anschließend drehte er sich zur Rückbank und starrte wie betäubt den Retriever an. Dann schlug er auf das Lenkrad ein, so lange, bis ihn seine Kräfte verließen. Danach fühlte er sich besser. Die Kopfschmerzen waren nicht mehr ganz so schlimm. Als er weiterfuhr, konnte er wieder einen halbwegs klaren Gedanken fassen.
Er war nicht ohne Grund zu dem Kinderheim gelockt worden. Sieh die Mädchenwiese!
Er wusste nicht, was ihm diese Botschaft sagen sollte, und noch viel weniger, von wem sie kam. Aber er begriff, dass diese drei Wörter der Schlüssel zum Verständnis waren: das Kinderheim, die vermeintliche Adoption, das mysteriöse Auftauchen von Arthur Steinmann, die drei Jahre zurückliegenden Zeitungsausschnitte – all das hing auf irgendeine Art zusammen. Und im schlimmsten Fall betrafen sie auch das Verschwinden von Lisa Theis.
Alex war froh, als er das Dorf erreichte. Der Himmel wurde dunkel, und die Häuser wirkten abweisend. Immer mehr Wolken bedeckten den Himmel. Vor der Elster stand Paul, der sich mit zwei älteren Männern unterhielt.
Pauls Gesichtszüge entgleisten, als er den zerschrammten Peugeot sah. »Hey, Mann, was hast du mit meinem …?« Sein Blick fiel auf Alex’ blutverschmierte Kleidung und dessen angeschwollene Stirn. »Mein Gott, hattest du einen Unfall? Geht es dir gut?«
»Ja, alles gut«, entgegnete Alex, obwohl er das Gegenteil empfand. »Das mit deinem Wagen, das tut mir leid, das mach’ ich …«
»Vergiss die alte Möhre, ich muss dir …« Er hielt inne, als er Gizmo im Auto entdeckte. »O Scheiße, ist er … Was ist mit ihm passiert?«
»Später«, sagte Alex, »bitte.«
»Okay, aber ich muss dir …«
»Paul, hast du nicht gehört?« Alex wuchtete Gizmo von der Rückbank und trug ihn ins Gartenhäuschen. »Lass uns später drüber reden.«
»Aber Alex!« Paul blieb ihm dicht auf den Fersen. »Man hat sie gefunden. Im Wald. Sie ist … tot.«
Kapitel 39
Eine vertraute Stimme rief meinen Namen quer durch die Kaufhalle. Ich tat, als hätte ich sie nicht gehört, und schritt zügig zum nächsten Regal.
»Berta, so warte doch!«
Ich lief zur Kasse.
»Wo bist du nur mit deinen Gedanken?« Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich zuckte zusammen.
»Regina«, sagte ich und drehte mich zu meiner Freundin um. Beim Anblick ihres freudigen Lächelns blutete mir das Herz.
»Du hast so lange nichts mehr von dir hören lassen«, sagte sie. »Geht es deiner Mutter noch nicht besser?«
»Nicht so richtig«, flüsterte ich.
»Jetzt komm her, lass dich erst mal drücken.«
Ich fuhr zusammen, als sie mich umarmte. Ihr Blick fiel auf meinen Unterarm. »Was ist mit dir?«
Rasch bedeckte ich den Bluterguss mit einem Blusenärmel. »Ich habe mich gestoßen, weißt du, am Schweinetrog im Stall.«
»Und auch an der Schulter?«
»Ja, da auch.« Meine Worte klangen selbst in meinen Ohren wirr. Beschämt setzte ich mich wieder in Bewegung. »Regina, entschuldige, aber ich muss weiter, ich habe …«
»Berta, ich bin nicht dumm!«
Meine Finger hielten den Einkaufskorb umklammert. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Und ob du das weißt. Dein Mann, er …«
»Er meint es nicht so.« Ich schüttelte hastig den Kopf. »Weißt du, wenn ich nur …«
»Nein«, sagte sie laut, viel zu laut. Die Köpfe der Umstehenden fuhren herum. Regina beugte sich vor, dämpfte ihre Stimme. »Nein, Berta, du wirst es ihm niemals recht machen können. Du kannst nur eines – ihn
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