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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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durfte er sich in Reichweite der Bahnhöfe nicht mehr blicken lassen.
    Er benötigte einen Plan. Er brauchte Ruhe, einen klaren Kopf und Hilfe. Sofort dachte er an Norman. Doch ob dieser ihm Glauben schenkte, war fraglich. Außerdem war damit zu rechnen, dass die Polizei ihn als seinen Anwalt überwachte. Es blieb nur Ben, der allerdings auf Fortbildung war. Alex wusste nicht, wie er ihn verständigen sollte. Er verfügte über kein Handy, nicht einmal über Kleingeld zum Telefonieren.
    Alex hörte Stimmen, direkt neben sich, und wirbelte herum. Ein Tross Nordic Walker zog an ihm vorüber, die Gehstöcke zerhackten die Wiese und alles, was ihnen nicht schnell genug auswich.
    Alex hatte inzwischen den Treptower Park erreicht. Ein einsamer Jogger lief am Spazierpfad unter den Platanen seine Runden, zwei Hundehalter schleuderten Bälle, denen ihre Vierbeiner hinterherhetzten. Der Anblick der tollenden Hunde weckte Erinnerungen. Alex eilte weiter.
    An einer Kreuzung wartete er, bis sich zwischen den Autos eine Lücke ergab. Er hatte die Bulgarische Straße zur Hälfte überquert, als ihm klar wurde, was sein nächstes Ziel war. Unbewusst war er in die richtige Richtung gelaufen. Nach Köpenick.
    Der Fuchs machte einen erschrockenen Satz und sprang zwischen Sträuchern davon. Im selben Atemzug kehrten Lisas Schmerzen zurück. Stöhnend robbte sie aus dem hohlen Baumstamm und richtete sich auf.
    »Das schaff’ ich nicht!«, krächzte sie. Es dauerte eine Weile, bis sie aufrecht stand. Immer wieder gaben die Beine unter ihr nach.
    »Ich kann nicht mehr«, stöhnte sie, während sich die Stimmen entfernten.
    Lisa wollte rufen, doch sie brachte nur ein Keuchen hervor. Sie biss die Zähne aufeinander, setzte einen Fuß nach vorne. Ihre Beine waren schwer wie Blei.
    Sie machte noch einen Schritt und scheuchte einige Vögel auf. Lisa erschrak. Ihr Herz pochte immer lauter. Sie kämpfte sich weiter vorwärts, bis sich plötzlich ein kleines Häuschen in ihr Blickfeld schob. Noch eines. Und noch eines. Nur Personen konnte sie keine entdecken. Nicht eine Menschenseele. Aber sie hatte doch gerade Stimmen gehört.
    Jemand sprach. Lisa blieb stehen. Es war die Stimme ihres Peinigers, die sie niemals vergessen würde. Sie hörte seine Schritte. Sie presste die Hand auf den Mund. Er lachte. Ein freundliches Lachen. Ihm antwortete das Kichern einer Frau. Lisa wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, doch sie schleppte sich weiter. Sie strauchelte, weil ihre Beine sie nicht mehr tragen wollten. Im nächsten Moment fiel sie zu Boden. Gleichzeitig trübte sich ihr Blick. Sie sah noch einen Schatten, der sich auf sie zubewegte, dann wurde sie wieder bewusstlos.

Kapitel 51
    Klar und deutlich hörte ich die Stimme in dem Keller, dennoch wollte mein Verstand sie nicht akzeptieren.
    »Hallo?«
    Sie gehörte einer jungen Frau. Ich robbte näher zur Tür. Der Gestank von Exkrementen und nackter Angst schlug mir entgegen. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Ich wagte kaum zu atmen. Hatte der Schrecken denn gar kein Ende? »Wer sind Sie?«
    »O mein Gott!« Das Mädchen weinte bitterlich los. »Mein Gott!«
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte ich, aber das war gelogen. Nichts war in Ordnung. »Wie ist Ihr Name?«
    »Margrit«, sagte sie mit erstickter Stimme.
    »Margrit, wie …?« Ich hielt inne. Wollte ich die Antwort überhaupt wissen? »Wie lange sind Sie schon hier?«
    »Ich weiß nicht.« Sie schluchzte. »Einen Tag vielleicht. Oder zwei. Ich weiß es nicht.«
    »Was ist passiert?«
    »Er … er … hat …«
    »Wer?«
    »Sein Name … ist … Ferdinand!«
    Obwohl es mich nicht überraschte, traf mich der Klang seines Namens wie einer seiner Fausthiebe. Ich spuckte Galle auf den Lehmboden.
    »Er hat mich zum Essen eingeladen«, wimmerte Margrit, »und dann …«
    »Woher kennen Sie ihn?«
    »Aus Berlin. Café Moskau .«
    Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann mich Ferdinand das letzte Mal ausgeführt hatte. Es mussten Jahre vergangen sein. Oder Jahrzehnte. Aber mein Mann war regelmäßig in Berlin gewesen, jeden Tag in der Arbeit – und wahrscheinlich nicht nur dort, nicht nur alleine. Mit anderen Frauen? Es war mir egal. Ich hasste ihn.
    »Er war älter als ich, aber er war nett«, sagte Margrit, »aber dann …«
    »Ja, ich weiß«, unterbrach ich sie. Ich hatte genug erfahren, mehr, als mir lieb war, mehr wollte ich nicht hören. Ich hätte ohnehin nichts daran ändern können. Ich konnte ja nicht einmal meinen eigenen

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