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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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wie das für mich klingt?«
    »Ja, ich kann das selbst nicht glauben«, antwortete Alex, »aber … Du musst mir helfen. Du musst etwas für mich herausfinden. Vielleicht irre ich mich, aber vielleicht auch nicht. Fest steht – es werden weitere Morde geschehen. Lisa ist noch verschwunden. Und Silke Schröders Leiche hat man auch noch nicht gefunden.«
    Norman stieß sich von der Fensterbank ab, durchschritt den Raum und setzte sich wieder an den Tisch. »Also, willst du mir jetzt nicht endlich erzählen, was wirklich passiert ist? Und diesmal bitte die Wahrheit!«
    Alex ließ die Schultern hängen. »Jakob, jetzt brauch’ ich wirklich einen Kaffee.«
    Der Uniformierte schüttelte den Kopf.
    »Jetzt holen Sie ihm schon seinen verdammten Kaffee«, blaffte Norman, »und mir gleich einen dazu.«
    Der Beamte schien mit sich zu ringen.
    »Herrgott, wo liegt das Problem?«
    Jakob stand auf und eilte in den Flur zum Kaffeeautomaten. Die Tür hatte er nicht hinter sich geschlossen. Norman bückte sich zu seiner Aktentasche unter dem Tisch. »Pass auf, das Einzige, was ich für dich im Augenblick tun kann, ist, dir einen ordentlichen Anwalt zu besorgen.«
    Nur noch wenige Zentimeter fehlten, bis die Tür wieder ins Schloss fallen würde. Alex reagierte sofort.
    »Alex?«, rief Norman.
    Doch Alex war schon durch den schmalen Spalt geschlüpft.
    »Alex!«, kam Jakobs Stimme vom Kaffeeautomaten.
    Alex rannte den Gang entlang und bog in den nächstbesten Flur ein, der zum rückwärtigen Treppenhaus führte − der vorgeschriebene Fluchtweg bei Brandgefahr. Alex stieß die schwere Metalltür auf, nahm mehrere Stufen auf einmal. Als er in die zweite Etage gelangte, flog über ihm die Tür auf.
    »Alex!«, brüllte Jakob.
    Alex beschleunigte seine Schritte. Noch ein Stockwerk. Sein Herz raste. Die letzte Etage. Keuchend stolperte er zum Hinterausgang. Als er auf die Straße stürzte, schlug ihm kalter Wind ins Gesicht. Er hechtete über die Karl-Marx-Allee auf den Alexanderplatz, kämpfte sich durch das dichte Gewimmel der Pendler und Touristen und verschwand im Bahnhof.
    Die Sonnenstrahlen, mit denen der neue Tag erwachte, kitzelten sie in der Nase. Es war das einzige Gefühl, das sie verspürte. Sie fror nicht, hatte keine Schmerzen und kam sich seltsam schwerelos vor. Als wäre ihr Körper von allen Qualen befreit. Du bist tot! , dachte Lisa entsetzt und erleichtert zugleich.
    Sie vernahm ein Rascheln neben sich, nicht weit von dem Baumstamm entfernt, in dessen hohlem Innern sie kauerte. Sie öffnete die Augen. Die Regenwolken waren fortgezogen, der Himmel hatte sich aufgeklärt. In schlanken Streifen fiel das Sonnenlicht durch das Laubdach des Waldes, brachte das feuchte Moos zum Glitzern. Erneut knisterte es.
    Lisa drehte sich zur Seite und sah sich zwei Augen gegenüber. Neugierig neigte der Fuchs seinen Schädel. Seine Nasenspitze zuckte. Nachdem er sich überzeugt hatte, dass von Lisa keine Gefahr ausging, schlich er näher. Sonnenstrahlen trafen sein nasses Fell. Die Tropfen funkelten wie Diamanten. Als er sich die Lefzen leckte, sah es aus, als lächelte er sie an. Nicht böse und gemein. Es war ein freundliches Lächeln. Oder eine Ermunterung. Glück durchströmte Lisa. Vielleicht war das ja ein Zeichen.
    Mach dir nichts vor , wisperte eine gehässige Stimme in ihr, du redest dir nur was ein! Trotzdem war es angenehm zu glauben, dass der Fuchs ihr mit seinem Erscheinen neuen Mut zusprechen wollte.
    »Du hast überlebt!«, flüsterte Lisa, aber ihre Stimme kam ihr fremd vor. So eigenartig wie die Stimmen, die der Wind unerwartet an ihr Ohr wehte. Der magische Moment zerplatzte wie eine Seifenblase.
    Alex stieg in die erstbeste S-Bahn, die am Bahnhof Alexanderplatz hielt, und fuhr drei oder vier Stationen, bevor ihm bewusst wurde, dass er keinen Fahrschein besaß, nicht einmal Geld, um ein Ticket zu erwerben. An der nächsten Haltestelle stieg er wieder aus. Ostkreuz . Er blieb stehen und fragte sich: Was hast du getan?
    Er war aus dem Polizeipräsidium abgehauen, blindlings losgestürmt, bloß weg. In sein Haus in Finkenwerda konnte er nicht. Dort würde die Polizei zuallererst nach ihm suchen. Ein Geschäftsmann mit Aktentasche rempelte ihn an. Eine Mutter beruhigte ihr schreiendes Baby. Ein Stück weiter liefen zwei Security-Beamte. Wie von selbst setzten sich Alex’ Beine in Bewegung. Die Polizei würde schon bald die U- und S-Bahnhöfe nach ihm absuchen. Und wenn erst die Fahndung nach ihm ausgeschrieben war,

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