Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
Fenster.
    »Nein!«, rief Laura.
    Renate schloss das Fenster wieder. »Ich dachte, ein bisschen frische Luft …«
    »Nein!« Laura reckte die Nase empor, erschnupperte den Geruch, der im Zimmer hing – Lisas Geruch. Sie betrachtete Mr Zett, die Fotos an der Wand, die Bücher neben dem Bett, CD s, Lisas Kleider, die Stiefel.
    Unvermittelt ging ihr ein Lied durch den Kopf. I want you to make me feel, like I’m the only girl in the world. Sie drückte ihr Gesicht in das Kissen, lag eine ganze Weile still.
    Als sie wieder aufschaute, stand ihr Schwager im Zimmer. Sie hatte ihn nicht kommen hören.
    Franks Miene war unergründlich und zugleich erschreckend vielsagend. Als er auf sie zutrat, schloss sie die Augen und kroch unter die Decke. »Ich möchte es nicht hören.«
    Er war unerbittlich. »Man hat Lisa gefunden.« Seine weiteren Worte erreichten sie nur mit Verzögerung. »Zwei Spaziergänger haben sie im Wald bei Brudow entdeckt. Sie wurde ins Sana-Klinikum nach Lichtenberg gebracht.«
    Es dauerte einige Sekunden, bis sie begriff. »Sie lebt?«
    »Ja.«
    Lauras Lippen bebten. Sie biss in ihre Faust. Dann sprang sie aus dem Bett und stürmte die Treppe hinunter. Auf halbem Weg blieb sie stehen. »Sam!«
    »Geh nur«, sagte Renate, »ich weck’ ihn, und wir kommen nach.«
    Laura stürmte nach draußen. Die Reporter, die sie mit Fragen bombardierten, kümmerten sie nicht. Sie hörte nur Frank, der ihr folgte. »Wir nehmen den Streifenwagen. Damit sind wir schneller.«
    Alex schaute die Straße einmal rauf und runter, konnte aber niemanden ausmachen, der nach Polizei aussah. Er blickte hinauf zum Fenster in der zweiten Etage des Köpenicker Altbaus, dessen gründerzeitliche Fassade eingepfercht war zwischen einem grauen Neubau auf der einen und einem geschlossenen Schlecker auf der anderen Seite. Er konnte nichts erkennen.
    Eine Straßenbahn rumpelte vorbei, erschütterte den Bürgersteig. Es begann zu nieseln, in kürzester Zeit überzog die Feuchtigkeit Alex’ Hemd wie ein feines Netz.
    »Darf ich mal?«, bat eine junge Frau.
    Alex trat beiseite, und sie schloss die Haustür auf. Kurzentschlossen folgte er ihr in den Flur. Er passierte die rostigen Briefkästen, die an der Wand lehnenden Fahrräder, zwei Kinderbuggys, einen Stapel Papiermüll und eine Werkzeugkiste. Von der Decke bröckelte Putz.
    Das Gebäude, das zu Zeiten seiner Entstehung, Ende des 19. Jahrhunderts, seinen Besitzern einen herrschaftlichen Wohnsitz geboten hatte, war vernachlässigt worden. Hinzu kam, dass alle paar Minuten eine Straßenbahn vorbeiratterte. Paul hatte das alles nicht gestört. Die Miete war günstig, ein unschlagbares Argument nach seiner kostspieligen Scheidung.
    Alex blickte im Treppenhaus nach oben. Die junge Frau war in die Wohnung in der ersten Etage verschwunden. Irgendwo im Haus hämmerte es. Alex folgte der Treppe ins zweite Stockwerk. Er begegnete niemandem. Das Klopfen setzte aus. Kurz darauf erreichte Alex die Tür zu Pauls Wohnung und streckte die Hand nach der Klingel aus.
    Das Hämmern setzte wieder ein. Alex zögerte. Dann holte er aus und wuchtete den Absatz seines Schuhs gegen das Türschloss. Nichts passierte. Er trat ein zweites Mal zu. Vergeblich. Er konzentrierte sich, legte seine ganze Kraft in den nächsten Tritt. Ein lauter Knall, dann sprang die Tür auf.
    Das erste Zimmer, das von dem winzigen Flur abging, war die Küche. Reste von Pizzaschachteln stapelten sich unter dem Tisch, in der Anrichte standen leere Bierflaschen. Im Schlafzimmer befanden sich ein billiges Bett, ein rissiger Spiegelschrank und verstaubte Nippsachen auf dem Nachttischchen. Zerlesene Taschenbücher lugten unter dem Bett hervor.
    Die Wohnung hatte nichts mit dem Profil der Bestie zu tun. Es war vielmehr die typische Wohnung eines Junggesellen – oder eines geschiedenen Mittdreißigers, der Mühe hatte, sein eigenes Leben halbwegs auf die Reihe zu bekommen.
    Alex ging am Badezimmer vorbei, aus dem der beißende Gestank von Urin und Klostein in den Flur wehte. Als er die Tür zum Wohnzimmer öffnete, beschleunigte sich sein Herzschlag.
    An die Wände waren Dutzende Zeitungsartikel geheftet. Neuer Mord der Straßenbestie! Einige waren mehrfach übereinandergeklebt. Schon fünf tote Mädchen! Wer stoppt die Bestie? Manche Schlagzeilen waren farbig markiert. Die Bestie hat wieder zugeschlagen! Polizei tappt im Dunkeln! Eine Chronik der grauenhaften Morde.
    Aus dem Treppenhaus erklangen dumpfe Schritte. Sie erstarben in der

Weitere Kostenlose Bücher