Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
knackten. Eduards Körper erschlaffte. Mein Mann warf den leblosen Kater in die Arme meines Sohnes. Doch der Junge schreckte zurück, und das tote Tier plumpste auf den Boden. Wie benommen starrte ich auf den Leichnam. Nur langsam fand ich meine Sprache zurück. »Warum hast du das gemacht?«
    »Sei still.«
    »Warum hast du …«
    »Ich sagte, sei still.« Ferdinand ging zu unserem Sohn. »Heb den Kater auf und begrab ihn im Keller!«
    Der Junge schüttelte verängstigt den Kopf.
    »Ich sagte, du sollst ihn …«
    »Ferdinand«, unterbrach ich ihn und stellte den Kochtopf, den ich immer noch in den Händen hielt, auf den Fenstersims. »Lass ihn in Ruhe. Ich kann das machen.«
    »Nein, der Junge wird das tun.«
    »Bitte, lass ihn, ich werde …«
    Ferdinand riss die Faust nach oben, und ich verstummte.
    »Geh auf dein Zimmer«, wies er meinen Sohn an.
    Der Junge drehte sich um, und als sein Blick die Katze fand, sah ich, wie Tränen in seinen Augen schimmerten. Wortlos ging er die Stufen hinauf, kurz darauf hörte ich, wie er die Tür hinter sich zumachte.
    Ferdinand baute sich vor mir auf. »Und jetzt zu dir!«
    Ich senkte den Blick.
    »Was fällt dir ein, mir vor dem Jungen zu widersprechen?«
    »Es tut mir leid«, wisperte ich, »aber ich wollte …«
    Mit voller Wucht grub sich seine Faust in meinen Magen. Ich fiel um wie ein nasser Sack. Als ich mich wieder aufrappelte, hob mein Mann zum zweiten Mal die Hand.
    »Ferdinand!« Ich spuckte Schleim. »Der Junge!«
    Mein Sohn stand in der Tür. Tränen strömten ihm über die Wangen.
    »Vielleicht ist es sogar besser so«, hörte ich Ferdinand sagen. »Es wird langsam Zeit, dass er lernt …«
    »Ferdinand, bitte«, stöhnte ich.
    Seine Faust krachte mir erneut in den Bauch. Ich übergab mich auf die Dielen.
    »Setz dich auf die Couch«, wies Ferdinand den Jungen an. Dieser stand wie angewurzelt da, starr vor Angst. Ferdinand krallte sich in meine Haare und riss meinen Kopf hoch. »Ich sagte, auf die Couch!«
    »Ferdinand, nein«, wimmerte ich.
    Er bog mir die Arme auf den Rücken und band mich an die Heizung. Mein Sohn heulte.
    »Heul nicht«, schrie ihn Ferdinand an. Der Junge senkte den Kopf. »Ich sagte, hör auf zu flennen. Du bist mein Sohn. Sieh her! Sieh her!«
    Langsam hob der Kleine den Blick. Ferdinand drehte sich zu mir um. In seinen Händen hielt er den Kochtopf mit dem heißen Kartoffelwasser.
    Hinterher warf er meinen verbrannten und mit blutigen Platzwunden übersäten Leib hinab in den Keller. Dort lag ich in der Kammer, halb besinnungslos vor Schmerzen, noch mehr aber vor Scham und Schuld, denn wenn ich eines in dieser Sekunde begriff, dann mein Versagen. Ich hatte meinen Sohn nicht vor dem Irrsinn bewahrt. Ich konnte ihn nicht beschützen. Was war ich für eine Mutter? Wozu taugte ich überhaupt? Ich schrie mir die Seele aus dem Leib. Als mir die Luft ausging, drang eine ängstliche Stimme an mein Ohr. »Hallo? Hallo? Wer ist da?«
    Kapitel 50
    Irgendwann musste Alex eingeschlafen sein, denn er erschrak, als die Zellentür mit einem Quietschen geöffnet wurde. Einen der beiden Beamten, die ihn einen Gang entlangführten, erkannte er. »Hallo, Jakob.«
    Doch dieser gab vor, ihn nicht zu kennen. Ohne Alex anzusehen, murmelte er: »Ihr Anwalt ist da.«
    Sie gelangten in einen Besucherraum. Jakob postierte sich vor der Tür. Hinter den vergitterten Fenstern wich gerade die Nacht vor der Sonne zurück. Ein neuer Tag brach an, aber sicherlich kein guter.
    An einem schmalen Tisch in der Mitte des Zimmers saß Norman. Mit seinem Anzug, dem gebräunten Gesicht und den blondierten Haaren wirkte er so fehl am Platz, wie Alex sich fühlte.
    »Kann ich was zu trinken haben?«, bat Alex. »Einen Kaffee?«
    Norman hob den Blick zu dem Wachposten. Jakob schüttelte den Kopf. Alex’ Gelenke knackten, als er seinem Freund gegenüber Platz nahm. »Die glauben, ich bin die Bestie.«
    »Ich weiß.«
    Normalerweise mochte Alex Normans nüchterne Analysen, aber jetzt hätte er sich etwas mehr Mitgefühl von ihm gewünscht. »Das ist alles, was dir dazu einfällt?«
    »Was erwartest du?«
    »Dass du mich hier rausholst.«
    »Dazu solltest du dir einen richtigen Anwalt nehmen.«
    » Du bist Anwalt.«
    »Für Familienrecht. Bei dir geht es um mehrfachen Mord.«
    »Verdammt noch mal, ich habe keinen einzigen begangen.« Alex holte tief Luft, um seinen Zorn zu zügeln. »Weißt du, wo Paul ist?«
    »Nee.« Norman schnaubte. »Aber ich glaube, das sollte deine geringste

Weitere Kostenlose Bücher