Die Mädchenwiese
Sorge sein.«
»Eben nicht.«
Norman runzelte die Stirn.
»Es gibt da einige Sachen«, begann Alex.
»Sachen?«
»Vorfälle.«
»Vorfälle?« Norman beugte sich vor. »Red Klartext!«
»Du musst Paul für mich überprüfen.«
»Moment!« Norman griff über den Tisch nach Alex’ Arm. »Versuchst du mir zu erklären, dass Paul was mit den Morden zu tun hat?«
Sam musste aufs Klo, schon seit über einer Stunde. Seit er in seinem Bett aufgewacht war. Doch er wollte seiner Mutter nicht über den Weg laufen, nicht nachdem sie ihn am Abend zuvor wieder angeschnauzt hatte. Später hatte sie noch einige Male den Kopf zur Tür hereingesteckt, auf sein Bett geblickt, ohne ein Wort zu sagen. Er hatte sich nicht bewegt, die Augen geschlossen gehalten, sich nicht anmerken lassen, dass auch er nicht schlafen konnte.
Alles wird gut , hatte sie gesagt.
Zähneknirschend entnahm er seinem Regal einen Comic. Bart Simpson lachte ihn vom Titelbild an. Sam fing an zu lesen, doch schon auf der zweiten Seite hielt er den Druck auf seine Blase nicht mehr aus, und er schlich sich ins Badezimmer. Das Haus war erfüllt von Stille. Als er Lisas Zimmer passierte, fiel Flurlicht in einem schmalen Streifen auf das Bett. Seine Mutter lag schlafend darauf, die Decke zerknüllt unter sich. Im Arm hielt sie Mr Zett. Du hättest ihn mir zeigen müssen , hatte sie ihm vorgeworfen. Das hatte er versucht. Sam, das wäre wichtig gewesen! Niemand hatte ihm zugehört. Sam setzte sich auf die Kloschüssel und entleerte seine Blase.
Schon wieder hatte seine Mutter so geklungen, als trüge alleine er die Schuld daran, dass Lisa verschwunden war. Dabei hatte Sams Onkel den Schuldigen längst gefunden.
Sam betätigte die Spülung und kehrte zurück in sein Zimmer. Er war wütend auf seine Mutter. Gar nichts wird gut! , wisperte eine Stimme in Sam. Und Lisa war immer noch nicht heimgekehrt.
Sam schob die Lamellen seines Fensterrollos einige Zentimeter auseinander und linste auf die Straße. Er hatte keine Lust, hier herumzuliegen, darauf zu warten, dass seine Mutter irgendwann erwachte, wieder gestresst durch das Haus liefe und mit ihm schimpfte. Am liebsten wäre er in den Club gegangen. Aber der Betreuer war bei einem Seminar.
Sam beschloss, sein Versteck im Wald aufzusuchen. Er ahnte, was seine Mutter davon halten würde, wenn er sich zur Uferlichtung aufmachte. Aber dort hatte er wenigstens seine Ruhe. Außerdem hatte sein Onkel den schlimmen Mann verhaftet.
Sachte schloss er die Jalousie wieder, dann häufte er seine Anziehsachen zu einer schlafenden Gestalt unter der Decke auf. Bart Simpsons Grinsen schien noch breiter zu werden. Als wollte er ihn ermuntern.
Sam stopfte ein paar Comic-Hefte in seinen Rucksack, kleidete sich an und stieg die Treppe hinab zur Haustür. Mit einem leisen Klicken fiel sie hinter ihm ins Schloss.
Alex stieß die Hand seines Freundes von sich. »Sie haben Spuren gefunden, Spuren, die mich in Verbindung mit der getöteten Karen Brandner bringen.«
»Ja«, erwiderte Norman, »natürlich, sonst säßest du ja nicht hier. Aber was soll das mit Paul zu tun haben?«
»Ich hatte eine Auseinandersetzung mit Karen Brandner. Einen Abend vor ihrem Tod.«
»Ja, richtig, du. Aber nicht Paul …«
»Er war dabei«, unterbrach Alex ihn. »Er war der Einzige, der den Streit mitbekommen hat. Kurz danach ist er heimgefahren. Er muss das Mädchen unterwegs getroffen und entführt haben.«
Norman lachte freudlos. » Das ist alles?«
»Nein, Paul hat auch die Kette entdeckt, die der entführten Lisa Theis gehört. Die man bei der Hausdurchsuchung in meiner Schublade gefunden hat. Sie lag in meinem Garten, den wir vorgestern Morgen in Ordnung gebracht haben.«
»Und jetzt glaubst du, Paul war das mit deinem Garten?«
»Was weiß ich. Ja, wahrscheinlich. Ist auch egal. Es geht um die Kette. Paul hat sie gefunden.«
»Wenn es stimmt, was du sagst, müssten dann nicht auch Pauls Spuren an der Kette sein?«
»Das ist es ja – das sind sie nicht. Er trug Handschuhe, als er die Kette fand.«
Norman stand auf und trat ans Fenster. Er rieb sich das Kinn, blickte nach draußen in den erwachenden Tag.
»Verstehst du denn nicht?«, fragte Alex.
Sein Freund drehte sich um. »Nein.«
»Es ist immer Paul. Paul war immer dabei.«
»Aber das heißt noch lange nicht …«
»Und Paul hasst Frauen.«
Einige Sekunden verstrichen, in denen Norman über die Ausführungen nachzudenken schien. Seine Miene verfinsterte sich. »Weißt du,
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